Das Interieur des Krokodils

Das dezentrale Festival »Passagen« macht Köln zur Bühne für aktuelles Design.

Um mit dem bekannten russischen Innenarchitekten dramatischer Seelenzustände zu beginnen: Fjodor Michailowitsch Dostojewski beschrieb die »Passagen 2005« treffend und visionär bereits in seiner Erzählung »Das Krokodil – ein ungewöhnliches Ereignis oder eine Passage in der Passage«. Jemand steckt fest, bei Dostojewski zufälligerweise in einem Krokodil, wir alle notgedrungen in unseren Behausungen. Er kommentiert sein neues, ihm ungewohntes Interieur für den neugierigen Passanten: »Sein Inneres ist bis zur Unglaublichkeit dehnbar. Selbst du könntest noch als Hausfreund hier Platz finden, wenn du so großmütig wärest, mir Gesellschaft leisten zu wollen.«

Die Passagen 2005 bieten, zum 16. Mal, eine Führung durch unsere elaborierte Wohnwelt. Sie zeigen vom 17. bis 23. Januar parallel zur Möbelmesse ein Ausstellungsprogramm zu aktuellen Tendenzen im Design, das mit seinen 149 Präsentationen größer und internationaler geraten ist als je zuvor. Es ist die größte Schau ihrer Art, erfunden und auch in diesem Jahr realisiert von Sabine Voggenreiter, die außerdem mit Kay von Keitz das alljährliche Festival »Plan – Forum aktueller Architektur« im September organisiert. Der Erfolg der Passagen, sagt Sabine Voggenreiter, hat mit Köln zu tun: Sie locken nicht nur das Fachpublikum von der gleichzeitig stattfindenden Möbelmesse an, sondern auch dich und mich aus der eigenen Behausung. Der Satz von Robbie Williams wird beherzigt, »eine Marke ist wie ein guter Freund«, aber die Auftritte der bekannten internationalen Design-Highlights werden mit Präsentationen interessanter Newcomer durchmischt. So gelten die Passagen als experimentell.

Was plan für den öffentlichen Menschen ist, das sind die Passagen für den Hausfreund: Ähnlich wird bei den Passagen die ganze Stadt zum Ausstellungsraum. Veranstalter und Gastgeber sind Kölner Galerien, Einrichtungsgeschäfte, Designbüros, Kulturinstitute, Hochschulen und das Museum für Ostasiatische Kunst. Schwerpunkte mit mehreren Schauen bilden die Spichernhöfe, der Rheinauhafen mit dem Kap am Südkai, die ehemalige Eisenbahndirektion am Rheinufer und das Vulkan-Gelände in Ehrenfeld.

In den Spichernhöfen erlebt der Innenarchitekt eine ideale Situation: Einige der Ausstellungen finden in tatsächlichen Wohnräumen statt, die sich zurzeit im Umbau befinden. Die rund zwanzig Schauen in allen Häusern sind dem Thema Bad und Küche gewidmet. Die italienischen Firmen Boffi, Porro und Living Divani eröffnen gleichzeitig ihre festen Showrooms. Im Mikrokosmos der privaten Wohnwelt sind nicht nur Möbel interessant, auch Lichtdesign ist von Bedeutung. Skia, der 2003 in Köln gegründete Verlag für Schatten, zeigt »Schattenspiele«: Produkte, die Schatten spenden – und Skia hat für die StadtRevue-Leser eine Lampenidee entwickelt.

Im Rheinauhafen, im neu gebauten »Kap am Südkai«, präsentieren sich bekannte Hersteller in ihren neuen, zu den Passagen öffnenden Räumen. Dornbracht, Wilkhahn, Zumtobel Staff und einige andere sind dort zu einem effizienten Showroom-Center zusammengefasst. Im Kunsthaus Rhenania wird Richard Sapper präsentiert, der A&W-Designer des Jahres, von dem es heißt, er habe in seinen Lehrjahren den Außenspiegel für den legendären Mercedes Benz 330 SL Roadster entworfen. Zum bekanntesten Produkt Sappers aber wurde die bewegliche Tischleuchte »Tizio«, italienisch für »Hinz und Kunz«.

In der ehemaligen Eisenbahndirektion am Rheinufer hat zum zweiten mal Stylepark unter dem Motto »Fusion« das Lager aufgeschlagen, eine Internetplattform, die Designinteressierte zusammenbringt – und während der Möbelmesse nicht nur virtuell. Stylepark zeigt unter anderem fluidum aus Zürich, die mit ihrem »bird«-Stuhl die Erneuerung der Empfangsräume des UNO-Hauptquartiers in New York abgeschlossen haben.

Auf dem Vulkan-Gelände in Ehrenfeld präsentiert sich erstmalig zu den Passagen der permanente Showroom von MaterialConneXion. Die New Yorker Institution offeriert ihren Mitgliedern, Manufakturen oder Normalbürgern Wissenswertes zur Materialkunde. Wie auch die Tatsache, dass unsere Wohnwelt bis zur Unglaublichkeit dehnbar ist.

Passagen Interior Design in Köln
17.-23.1.05, überall in der Stadt, Schwerpunkt Belgisches Viertel, Termine s. Tageskalender, detailliertes Programm unter www.voggenreiter.com,
ab Ende Dezember liegt das Programmheft aus.

Auswahl:

Spichernhöfe in der Spichernstraße: ca. 20 Ausstellungen und Einzelpräsentationen; »Schattenspiele« von Skia u.v.m.

Rheinauhafen / Kap am Südkai / Rhenania: neues Showroomcenter; Richard Sapper und weitere
Präsentationen

Rheinforum, ehemaligen Eisenbahndirektion,
Konrad-Adenauer-Ufer 3: »Stylepark in residence«: umfangreiches Ausstellungs- und Abendprogramm zum Thema »Fusion«.

TausendFenster-Turm, Barbarossaplatz, 17. Stockwerk: soupculture: ELEVATED – Event & Expo
Die Kölner Designgruppe veranstaltet ein Möbelsuchspiel: Mit Teleskop-Ferngläsern wird nach
»Lieblingsmöbelstücken« im Stadtgebiet Ausschau gehalten – Infos + Akkreditierung: www.soupculture.de/elevated

Wettbewerb »Nachlux«: Europäischer Innovationswettbewerb für Lichtdesign, 2005 zum Thema »Licht + Wasser«. Präsentation im ECR, Agrippinawerft 6, Preisverleihung am 18.1., 18 Uhr.


Die Bauanleitungen für vier Designer-Lampen zum Selberbauen stehen in der aktuellen StadtRevue, die ab 22. Dezember im Handel ist!