Warten auf die Pfirsiche

»Unsere kleine Schwester« von Hirokazu Kore-eda

Die drei erwachsenen Schwestern Sachi, Yoshino, Chika bewohnen ein Haus in der japanischen Küstenstadt Kamakura nahe Tokio. Als sie auf dem Begräbnis des Vaters, der die Familie vor langer Zeit verlassen hatte, ihre Halbschwester Suzu kennenlernen, laden sie die 13-Jährige spontan ein, mit ihnen zu kommen. Suzu zieht zu den fremden Geschwistern. Von da an zeigt der Film den Prozess des Heimischwerdens und Heranwachsens als Abfolge von Gesprächen, kleinen Krisen, ersten Verliebtheiten — mit einigen fixen Stationen wie etwa dem regelmäßigen Besuch in Frau Ninomiyas Restaurant »Sea Cat«.

 

Während man eingangs noch darauf wartet, dass sich ein Konflikt auftut, ist man schon inmitten einer sich unaufgeregt entfaltenden Lebenswelt. Das Auftauchen der Mutter nach langen Jahren hat keinen kathartischen Effekt; dass Sachis Freund, ein erfolgreicher Arzt, auswandern will, wird von ihr betroffen, aber kampflos aufgenommen; und dass die freundliche Ninomiya unheilbar erkrankt, führt zu einem weiteren Begräbnis — aber zu keinem Aufbegehren, keinem Ringen mit den Göttern, dem Schicksal oder den gesellschaftlichen Umständen. Es bleiben die Erinnerungen der Hinterbliebenen. Weder beklagt Hirokazu Kore-eda mit seinem Film das Unausweichliche, noch spitzt er es zu. Er zeigt es — und wendet sich wieder dem Kreislauf des Lebens zu.

 

»Unsere kleine Schwester« ist eine verschlankte und auf zentrale Figuren reduzierte Umsetzung von Akimi Yoshidas bislang sechs Bände zählendem Manga »Umimachi Diary«. Kore-eda, der 2013 für »Like Father, Like Son« bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis der Jury erhielt, inszeniert die existenziellen Themen der Vorlage mit viel Wärme und Leichtigkeit. Herausragend ist dabei neben Kameramann Mikiya Takimoto auch das fast ausschließlich weibliche Ensemble. 

 

Der Film wird unaufdringlich bis unmerklich durch Feste im Wechsel der Jahreszeiten rhythmisiert, durch Beerdigungen und das Warten auf das Reifen der Pfirsiche, aus denen man dann gemeinsam Schnaps kocht, der die Laune hebt. Das Ankommen Suzus im Haushalt der Schwestern ist vor allem eine Meditation über das Verstreichen der Zeit und den Rhythmus des Lebens. Ein frischer, erholsamer, am Wesentlichen orientierter Film.

 


Unsere kleine Schwester (Umimachi Diary) J 2015, R: Hirokazu Kore-eda, D: Haruka Ayase, Masami Nagasawa, Kaho, 128 Min.