Ordentlich feiern

Weihnachten, Silvester, Neujahr: Feiern heißt immer auch essen. Doch anders als auf dem Rummel oder Straßenfest ist beim Festmahl noch etwas von der zivilisatorischen Kraft der Tischregeln und des Bewusstseins für Esskultur zu spüren.

 

Es ist kein Zufall, dass viele der ältesten Schriftzeugnisse Tischregeln berühren: Schon vor mehr als 4000 Jahren ritzte jemand in altägyptischen Papyrus, man möge sich bei Tisch beherrschen und der Gastfreundschaft gedenken. Das gemeinsame Mahl kann mit guten Gründen als Quell der Zivilisation aufgefasst werden. Was aber bedeutet es dann, wenn unser Essen heute — Snacks auf die Hand, Soja-Latte to go — hochgradig fragmentiert und individualisiert ist? In der Schlange vorm Club gemeinsam noch Streetfood zu spachteln —
das kann das Festmahl als Form der Geselligkeit und Gastfreundschaft nicht ersetzen.

 

Allerdings trägt Gastfreundschaft auch immer schon den Gedanken der Repräsentation in sich. Im Extrem überwiegt Prunk und Gönnerhaftigkeit. Bei Hofe zeigte man mit exotischen Speisen und der personellen Stärke von Küchenbrigade und Dienerschaft seinen Rang an. Etwas von dieser formvollendeten Angeberei findet man sogar noch heute in der nett gemeinten Einladung zum Abendessen daheim. Nur sind es heute kochtechnisches und kulinarisches Knowhow, mit denen sich der Gastgeber seines sozialen Status versichert; nur deshalb greift er eher zum Premier cru statt zum besseren Jahrgang eines nicht so hoch klassifizierten Château und serviert fade Sommertrüffel — des Namens wegen.

 

Dass der Gastgeber auch Koch zu sein habe, ist ein vergleichsweise neuer Gedanke in einer individualisierten Welt. Noch in den 80er Jahren belieferten Metzgereibetriebe auch kleinere private Gesellschaften mit Büfetts. Ganz gleich, wie man heute über die Qualität und Auswahl richtet — es war im Grunde eine kluge Entscheidung. So hatten Gastgeber Zeit und Muße, sich um die Gäste zu kümmern — mit Aufmerksamkeit und ehrlichem Interesse. Niemand bekam rote Öhrchen darüber, ob die Gans im Ofen wohl glücke. Und das ist der Grund, warum es sich gerade wegen der Festlichkeit hoher Feiertage eben nicht anbietet, als Küchenchef zu reüssieren. Ein Kartoffelsalat mit Würstchen, der gelingt, lässt Zeit für die Gäste — darin liegt mehr Esskultur als darin, sich den Abend über immer wieder für einen verkorksten Braten entschuldigen zu müssen.