Stille Grösse, edle Klarheit

»Million Dollar Baby« von Clint Eastwood

 

Clint Eastwoods »Million Dollar Baby« fügt den Klischees des Boxfilms kaum neue Facetten hinzu. Wieder einmal führt ein abgehalfterter Trainer (Frankie, gespielt von Eastwood) einen Außenseiter zum Titelkampf, wobei die Besonderheit, dass jener Underdog weiblich ist (Maggie, gespielt von Hilary Swank), kaum thematisiert wird. Statt dessen macht sich Eastwood einen Spaß daraus, Maggies Familie als »White Trash«-Karikaturen auftreten zu lassen und ihre Hauptgegnerin als Ost-Berliner Ex-Hure grotesk zu überzeichnen.
Doch gerade weil Eastwood die trivialen Aspekte seines Stoffes so kokett hervorhebt, kommen die elegante Einfachheit des Erzählens und die reife Gelassenheit der Inszenierung umso klarer zur Geltung. Diese formalen Qualitäten erlauben es ihm wiederum, sich ganz unprätentiös einer ethischen Frage anzunehmen, wenn der Film sich unerwartet in ein abstraktes Drama über Leben und Tod verwandelt.
Als Klammer für die lockere Handlung wirken regelmäßige Off-Kommentare von Frankies Freund und Assistenten, dem Ex-Boxer Eddie. Diese Sätze klingen, in Morgan Freemans Bariton, mitunter etwas salbungsvoll und verstärken den Eindruck, dass Frankie in gewisser Weise eine Variation von Eastwoods Figur aus »Erbarmungslos« ist.
Herzstück des Films sind indes die schnippischen Dialoge, in denen Eastwood und Freeman sich so entspannt die Bälle zuwerfen, dass es ein pures Vergnügen ist. Der leise Ton und der ruhige Rhythmus dieser Szenen sind so schlicht, dass man übersehen könnte, welcher Meisterschaft solch vordergründige Einfachheit bedarf. Was auch für die zurückhaltende Kameraarbeit Tom Sterns gilt, dessen sparsame, an barocke Helldunkelmalerei erinnernde Lichtsetzung die dramatische
Szene ganz selbstverständlich wirken lässt, in der Frankie schließlich über nichts Geringeres entscheidet als sein Seelenheil.
Ähnlich selbstverständlich erscheinen die gelegentlichen Akzente der zurückhaltenden, gemächlichen Erzählweise. Wir erfahren kaum etwas über die Vorgeschichte der Figuren, die wenigen Informationen werden zumeist en passant in Szenen eingestreut, die vordergründig keinerlei Funktion erfüllen. Die Motivation für das Vater-Tochter-Verhältnis der beiden Hauptfiguren mag dabei etwas schematisch wirken. Doch nicht zuletzt darauf basiert die unaufdringliche Qualität dieses Films.
Eastwood begnügt sich in »Million Dollar Baby« nämlich damit, in ein paar zentralen und ein paar nebensächlichen Momenten genau das zu tun, was seit jeher eine besondere Leistung meisterlicher Hollywoodregisseure ist: Klischees ganz nebenbei mit Leben zu füllen.

Million Dollar Baby (dto) USA 04, R: Clint Eastwood, D: Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, 137 Min. Start: 24.3.