Es ist angerichtet

Der junge Kölner Tisch 7 Verlag stellt sein erstes Programm vor

Der Buchhandel schwächelt weiter vor sich hin, die größeren Verlage gehen aufgrund mangelnder Umsatzzahlen immer weniger Risiken ein. Nach dem Mitte der 90er Jahre kurz aufblühenden Popliteratur-Boom ist in der Branche Ernüchterung eingekehrt. Doch Krisenzeiten sind Investitionszeiten, und dass dieser alte Wirtschaftssatz auch für die Buchindustrie gelten mag, davon sind Bettina Hesse und Frank Niederländer überzeugt. Und die beiden Geschäftsführer des im vergangenen Herbst gegründeten Tisch 7 Verlags sind alte Hasen im Geschäft.

Bücher machen und Bücher verkaufen gleichberechtigt

Hesse war lange Jahre als freie Autorin, Lektorin und Herausgeberin u.a. für Rowohlt und Könemann tätig, Niederländer war beim Emons Verlag für Lektorat und Pressearbeit zuständig und hat anschließend seine eigene Werbeagentur aufgebaut. Aus dem Verkauf seiner Anteile daran stammt das Geld für die Anlauffinanzierung des Verlages. Während die großen Verlage erst in den letzten Jahren Marketingaspekte in den Vordergrund stellen, sind beim Tisch 7 Verlag bereits beide Aspekte, des Büchermachens und Bücherverkaufens, bei den Gründern gleichberechtigt vertreten. Dabei geht es nicht darum, Bücher zu machen, die sich gut verkaufen lassen, sondern die Bücher, die Hesse und Niederländer begeistern, so zu platzieren, dass sie tatsächlich ihr Publikum finden. Das dies nicht auf Kosten der literarischen Qualität geht, beweist nun das erste Programm.

Deutsche Autoren und moderne Themen

Mit drei belletristischen Titeln deutscher Autoren und einem Sachbuch zum Thema Popmusik besetzt der Tisch 7 ein weites, aber dabei doch konturiertes Feld. Da ist zum einen unter dem Titel »Die Niedertracht der Musik« ein Band mit 13 Erzählungen von Alban Nikolai Herbst, dessen »Anderswelt«-Zyklus für Aufsehen gesorgt hat. Herbst ist hier erstmals mit einer Sammlung kürzerer Text vertreten ist, die von amüsant bis verstörend die Bandbreite des Phantastischen, das in unser Leben dringt, abbilden. Dann hat der lange unterschätzte und erst jüngst mit dem Villa-Massimo-Stipendium ausgezeichnete Lyriker Thomas Kunst bei Tisch 7 ein neues Zuhause mit größerer Reichweite und besserer Betreuung bekommen. Sein Roman »Sonntage ohne Unterschrift«, eine musikalisch komponierte Trennungselegie, dürfte zwar von den drei Titeln derjenige sein, der es im Buchhandel am schwersten hat, umso deutlicher zeigt aber die Aufnahme eines solchen Buches in das erste Programm vom Enthusiasmus der Tisch 7 Macher.
Last not least gibt es noch ein Debüt zum Debüt, den Roman »Fehlt denn jemand« der Kölner Autorin Doris Konradi. In dieser drei Generationen umfassenden Familiengeschichte geht es nicht nur um die üblichen Geheimnisse, die jede Familie kennt, sondern auch um die Auswirkungen der deutschen Geschichte bis in die Enkelgeneration. Gegen den gängigen Trend zum ausschweifenden Familienepos hat Konradi eine strengere Form gewählt, die über die Erzählung eines einzigen Tages genügend Tiefenschärfe aufweist, um auch feinste psychologische Verschüttungen herauszuarbeiten.

Gute Bücher - auch jenseits der großen Verlage

Der erste Sachtitel in der Reihe »umlaut« setzt sich mit dem aktuellen Stand der Popmusik in Deutschland, Österreich und der Schweiz auseinander. Er wird herausgegeben von der EinsLive-Redakteurin Nadia Hanna und liefert verschiedene Beiträge der üblichen Popverdächtigen: von SPEX-Chefredakteur Uwe Viehman bis zum Kölner Journalisten Sascha Ziehn. Für den Herbst ist der zweite »umlaut«-Band geplant, diesmal zum Thema Mode, danach soll sich die Reihe jeweils ein- bis zweimal im Jahr eines anderen Gegenstandes annehmen. Auch für das zweite belletristische Programm steht schon einiges fest: Wiederum wird es ein Debüt geben, unter dem beziehungsreichen Titel »Nomaden« wird gleich eine weitere Reihe gestartet, die sich freieren Texten und Textformen widmet. Dazu hat der Verlag hat gerade mit dem erfahrenen Schriftsteller Jochen Schimmang (*1948) eine engere Zusammenarbeit vereinbart: Im Herbst erscheint sein neuer Erzählungsband »Auf Wiedersehen, Dr. Winter« bei Tisch 7, voraussichtlich 2006 soll der neue Roman mit dem Arbeitstitel »Die Republik« folgen.
Das alles ist vielversprechend. Bei der Bewerbung um den 2005 zum ersten Mal vergebenen »Preis der Leipziger Buchmesse« hatten es auf Anhieb alle drei Titel der Hauptreihe in die engere Auswahl geschafft. Und für Köln ist es gut zu wissen, dass nach dem Wegzug des Tropen Verlags auch jenseits der großen Verlagshäuser weiterhin gute Bücher verlegt werden.

Mehr Informationen unter www.tisch7-verlag.de.

Doris Konradi und Tisch 7 Verlag im Debütantensalon des Literaturhauses, 24.5., 20 Uhr.

StadtRevue verlost 5x2 Gästelistenplätze, Email bis 17.5. an verlosung@stadtrevue.de, Stichwort »Aufgetischt«, dazu gibt es jeweils 1 Ex. von Konradis Roman. Desweiteren werden jew. 3 Ex. von Herbst und Kunst (unter der jeweiligen Angabe des Autorennamens) verlost.