Von Köln aus, für Köln, wegen Köln

Die neue »European Kunsthalle«: Gründungsdirektor Nicolaus Schafhausen veröffentlicht sein Konzept und erste Projektpläne

 

 

 

StadtRevue: Sie kommen nach Jahren in Frankfurt nach Köln zurück und sind die letzten Tage als Scout in der Stadt unterwegs gewesen. Was haben Sie entdeckt?

Nicolaus Schafhausen: Hier gibt es bei den Kulturschaffenden ein weit verbreitetes Unwohlsein über die Auswirkungen der Kulturpolitik auf den Einzelnen. Mir scheint, dass viele nicht mit den Trends vertraut sind, die zur Zeit die Debatte über die Entwicklung und den gesellschaftlichen Nutzen der Kulturvermittlung ausmachen. Zu groß ist die Sehnsucht nach dem Vergangenen. Das bedeutet aber auch, das Köln aufgrund dieses gewohnten hohen Standards gar nicht anders kann, als die innovativste Kunstmetropole im Westen zu werden – sonst wäre ein noch weiterer Abstieg ja auch gerechtfertigt.

Der Loch e.V. hat es Ihnen überlassen, Form und Inhalte genauer zu definieren. Wie weit hat sich das Konzept konkretisiert?

Mein Auftrag als Gründungsdirektor bedeutet vor allem ein Modell einer Kunsthalle zu entwickeln, die sich nicht alleine durch den Standort definiert – sondern vielmehr durch die Produktivität, die die kulturellen Differenzen und unsere zeitgenössische Gesellschaft mit sich bringen. Und dieser Diskurs soll von Köln ausgehen. Für Herbst 2005 erarbeite ich gemeinsam mit meiner Beraterin, der Kunsthistorikerin Vanessa Joan Müller, einen Kongress über Standortpolitik. Die European Kunsthalle wird grundsätzlich von vier Fachbereichen aus agieren: Urbane Evaluation, Produzent European Kunsthalle, Kulturpolitik und Wissenschaft.

Können Sie die vier Segmente erläutern? Kulturpolitik etwa, ein neues Feld für künstlerische Strategien?

Per Definition bedeutet Kulturpolitik das Verteilen von Subventionen in möglichst viele Bereiche der Kultur, um diese nach Leuchtturmpolitik oder politischen Interessen zu steuern. Kulturpolitik heute ist immer nur auf Kurzfristigkeit angelegt – innovativ wäre hier das Entdecken der Langsamkeit. Das bedeutet, wie man am Projekt der European Kunsthalle ablesen kann, erst dann etwas »zu bauen«, wenn es auch Hand und Fuß hat. Als Produzent wird die Kunsthalle u.a. thematische Ausstellungen konzipieren und ab 2006 ausrichten, und mit dem Bereich Urbane Evaluation werde ich zunächst meine Arbeit für Köln abschließen.

Und Kooperation mit dem Wissenschaftsbetrieb?

Mittelfristig strebe ich die Einrichtung und Finanzierung einer Stiftungsprofessur für Köln an, die die Kunstgeschichtsschreibung nach 1945 gesamteuropäisch erarbeiten soll. Konkret arbeitet ein weiterer Berater, Nikolaus Hirsch, Professor an der Architectual Association in London, auf meinen Vorschlag hin und in Kooperation mit der European Kunsthalle ab dem Wintersemester mit seinen Studenten an einer umfassenden Studie über die Entwicklung zukünftiger Kunstinstitutionen im urbanen Kontext. Gerade Institutionen der Bildenden Kunst werden sich in Zukunft mehr nach Bildungs- als lediglich an Freizeitinteressen von Öffentlichkeiten ausrichten müssen.

Das Paradoxon der European Kunsthalle ist, dass es keine »Halle« gibt. Sie sagten woanders, dass Sie aber keine nomadische Plattform planen, das sei 90er Jahre.

Sollte sich herausstellen, dass eine nomadische Plattform das richtige Modell für die European Kunsthalle darstellt, werde ich diese auch empfehlen. Persönlich habe ich jedenfalls nicht vor, mich als Scout um die leeren Investorenetagen von Köln zu kümmern um dort einen möglichen Mehrwert durch Kunstausstellungen für künftige Vermietungen zu erreichen. Zunächst werden wir das Programm an den Orten der Kultur veranstalten und den Dialog mit den tatsächlichen öffentlichen Orten suchen.

Was ist »European« an der Kunsthalle?

Für mich bedeutet Europa die Liebe zur Freiheit – die European Kunsthalle sollte die Souveränität und das Selbstbewusstsein haben, aus dem heute leider missbrauchten Begriff der bürgerlichen Liberalität zu argumentieren. Die Bildende Kunst hat es da einfacher als viele andere Kulturbereiche, mit den kulturellen Systemen dieser Welt zu kommunizieren.

Es gibt 350.000 Euro für zwei Jahre Gründungsdirektion. Wie weit kommt man damit?

Wer rechnen kann, dem wird schnell klar werden, dass sämtliche Gelder für welche Projekte auch immer erst zu akquirieren sind.

Neuerdings gibt es von der Städtischen Verwaltung Kooperationsangebote, auch die Option eines Büroraums im Kulturamt. Wie ist Ihre Haltung gegenüber der Stadt Köln?

Es spricht, zumindest für die Anfangszeit, natürlich nichts dagegen, das Angebot von Büroräumen im Kulturamt anzunehmen. Die European Kunsthalle arbeitet von Köln aus für Köln wegen Köln – also suche ich nicht nur, sondern erwarte mit Freude den konstruktiven Dialog mit den städtisch Verantwortlichen.

Für die im Museumszentrum geplante städtische Kunsthalle gibt es kein inhaltliches und finanzielles Konzept. Es könnte irgendwann das Angebot kommen, mit der European Kunsthalle dort einzuziehen. Bleibt das eine Option?

Eine städtisch oder nicht städtisch betriebene Kunsthalle benötigt neben den Betriebskosten einen minimalen Etat von jährlich vier Millionen Euro. Für eine global schlagkräftige Kunsthalle, die nach den Kriterien einer radikalen Modernität ausgerichtet sein muss, eignet sich das geplante Museumszentrum ungeachtet seines provinziellen Stadthallencharakters nicht. Zu viele Interessen werden hier unter einen Hut gebracht. Die European Kunsthalle macht hier keinen Sinn. Also nein.

Was wollen Sie in zwei Jahren im besten Falle erreicht haben?

Ich habe zum Glück keine Wahlen zu gewinnen.

Was wäre dann in Ihren Augen ein Scheitern des Projekts »European Kunsthalle«?

Es allen recht gemacht zu haben.


Info

Termin: Am 29.6., 19.30 Uhr stellt Schafhausen im Kinosaal des Museum Ludwig seine Pläne vor.

Nicolaus Schafhausen (*1965) war zuletzt Leiter des Frankfurter Kunstvereins, außerdem freier Kurator internationaler Projekte wie aktuell »Populism« (in sieben europäischen Ländern, bis Sept. 05). 1992-94 Mitbetreiber der Galerie Lukas&Hoffmann (Köln + Berlin), 1995-98 Leiter des Künstlerhaus Stuttgart.

European Kunsthalle Initiator des Projekts ist die Initiative Josef-Haubrich-Forum/Das Loch e.V., gegründet zum Protest gegen den Abriss der alten Kunsthalle, die seitdem stadtplanerische und kulturelle Modelle entwickelt. Im März wählte ein international besetzter Gründungsrat Schafhausen zum Direktor. Info + Texte www.das-loch.net