Leben in der Flut der Dinge

In Düsseldorf ist der chinesische Künstler Song Dong zu entdecken

Die Bewachung seiner Ausstellung liefert der Künstler gleich mit. Vor den Ausstellungsräumen der Düsseldorfer Kunsthalle postiert Song Dong eine Stafette lebensecht wirkender Figuren, die in Polizeiuniformen stecken und allesamt ihm selbst nachgebildet sind. Offen bleibt, ob sie dazu abgestellt sind, die Werke zu schützen oder nicht doch eher, um die Aktivitäten des Künstlers zu observieren.

 

Der 1966 geborene Song Dong zählt, wie auch seine Frau Yin Xiuzhen, zu den Vertretern einer chinesischen Konzeptkunst, die seit Mitte der 90er Jahre von sich reden macht und auch auf der letzten Documenta vertreten war. Wenngleich weniger prominent als der ältere Ai Weiwei, prägt Song Dong das Bild einer Künstlergeneration, die mit ihren Arbeiten das gesellschaftliche Klima in China kritisch kommentiert. Im Mittelpunkt stehen die Auswirkungen der sich rasant wandelnden wirtschaftlich-politischen Großwetterlage auf das Zusammenleben der Familien über die Generationen hinweg.

 

So stellt das eindrucksvollste Werk im großen Oberlichtsaal »Waste Not« ein monumentales, uferloses Sammelprojekt dar. Die Arbeit besteht aus sämtlichen Alltagsgegenständen, die Song Dongs Mutter über einen Zeitraum von fast sechs Jahrzehnten geradezu obsessiv angesammelt hat. Kleidung, Möbel, Küchengeräte, Geschirr, Werkzeug, Zahnpasta­tuben, Medikamentenschachteln, Einkaufstüten — einfach alles findet sich fein säuberlich sortiert
und entlang eines schmalen Rundweges drapiert. In der Mitte ragt das Holzgerüst einer bescheidenen Behausung empor. Die Installation ist ein Lamento auf den Verlust noch im Sammeln von »Fast allem« — sie legt Zeugnis ab von einem Leben in seiner schieren Faktizität.

 

Das Pathos, das solch nüchterner Selbstvergewisserung innewohnt, wird durch die Form der Präsentation entkräftet. Angelegt als über verschlungene Pfade zu durchwandernde Gartenlandschaft mit diversen Beeten stößt der Betrachter auf ein kalkuliertes Dickicht, in dem vieles und nichts zu entdecken ist.

 

Song Dongs Arbeiten gelten der Versöhnungsbedürftigkeit einer in lauter Gegensätze zerfallenden Welt. Es gehört zur imaginativen Kraft seiner Arbeit zu vermitteln, dass wir alle unser Leben in der Flut der Dinge verbringen. Song Dong behandelt die Frage nach der Möglichkeit der Freiheit in einer strukturell unfreien Lage. Er benutzt die Welt der realen Dinge um die Welt der abstrakten Gedanken zu konkretisieren.