Momentan nicht einsatzfähig: Der letzte Kölner 70 mm-Projektor im Fimforum

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Warum passiert es immer wieder, dass attraktive aktuelle Filme nicht in Köln ins Kino kommen? Eine Spurensuche

Einfache Fragen haben oftmals die kompliziertesten Antworten. Wer den Filmteil der StadtRevue im Dezember aufgeschlagen hat, konnte dort zwei längere Filmbesprechungen von »Mistress America« und »Love 3D« lesen. »Mistress America« ist die zweite Zusammenarbeit des US-Regisseurs Noah Baumbach mit der Schauspielerin und Drehbuchautorin Greta Gerwig. 2013 hatte ihr Film »Frances Ha«, in Deutschland immerhin über 100.000 Zuschauer und wurde von der Kritik überschwänglich gelobt. »Love 3D«, der neue Film des französischen Regisseurs und notorischen Enfant terrible Gaspar Noé (»Enter the Void«), feierte letztes Jahr in Cannes seine Premiere und bekam viel Aufmerksamkeit — vor allem natürlich wegen seines Novel­ty-Aspekts: Er gilt als der erste 3D-Arthouse-Porno. Wer nach der Lektüre der StadtRevue die Fil­me in Köln im Kino erleben wollte, wurde allerdings enttäuscht. Niemand hat sie gezeigt. Um sie zu sehen, hätte man nach Bonn oder Düsseldorf fahren müssen. Wie kann das sein?

 

Die naheliegende Antwort:
Es fehlt in Köln an Kinos und Lein­wän­den. Mittlerweile starten in Deutsch­land über 600 Filme im Jahr, die Zahl hat sich in den letzten fünfzehn Jahren knapp verdoppelt. Zugleich ist die Anzahl der Leinwände in Köln deutlich zurückgegangen, etwa durch die Schließung des Ufa-Palasts und die immer noch andauernde Renovierung des Rex-Kinos (siehe auch Rubrik News S.59). Da im Dezember zudem sehr viele Säle durch »Star Wars« und das immer noch laufende Bond-Abenteuer belegt waren, wur­den viele Filme verdrängt. Aber trifft das auch in diesem Fall zu? Auch wenn »Mistress America« und »Love 3D« sicher keine Blockbuster sind — jede Woche starten in Köln Filme, die ein geringeres kommerzielles Potential haben und die wesentlich weniger mediale ­Aufmerksamkeit auf sich ziehen können.

 

Tatsächlich hätten Kölner Kinos beide Filme gerne gespielt. Warum es dazu nicht kam, hat ganz unterschiedliche Gründe. Bei »Love 3D« wurde die Vorführtechnik zum Pro­blem. Da der 3D-Effekt hier tatsächlich ganz essentiell für die Wirkung und Ästhetik des Films ist, hat der Verleih Alamode den Film den Kinos (zumindest zunächst) nicht als 2D-Kopie angeboten. Das schränkt im Arthouse-Bereich die Möglichkeiten in Köln deutlich ein. Zudem passt der Film nicht ins eher bürger­liche Profil von Residenz oder Cine­nova, die die technischen Voraussetzungen hätten, das Filmhauskino hingegen wäre gerne eingesprungen, kann aber 3D nicht projizieren.

 

Anders formuliert: Dem Film ist auch zum Verhängnis geworden, dass er sich nicht bequem in eine Schublade packen lässt. Eine Mi­­schung aus Exploitation-Kino mit verstörenden Szenen und Filmkunst-Ansprüchen, das kann sich vielleicht Quentin Tarantino erlauben. Aus Frankreich will das deutsche Publikum dagegen Romanzen oder Komödien mit eher bildungsbürgerlichem Flair.

 

Ist das auch der Grund, warum es »Mistress America« schwer hatte? Schließlich entspricht Noah Baumbachs Kino voller Stadtneurotiker, die reden als seien sie in einem Film der Nouvelle Vague, auch nicht un­be­dingt dem Klischee vom »kapi­talistischen« US-Kino — den Sonderfall Woody Allen einmal ausgenommen.

 

Auf Nachfrage sagt Christian Schmalz vom Off Broadwy, dass er »Mistress America« nicht ins Programm genommen hat, weil er zu sehr eine »amerikanische Innensicht« präsentiere. Obwohl er den Film persönlich mochte, glaubte er nicht, damit sein Publikum erreichen zu können. Filmpalette und auch Filmhauskino hätten den Film dagegen gespielt — das Filmhauskino hat beim Verleih sogar mehrfach angefragt.

 

Auf Nachfrage wollte sich Michael Beckmann von 20th Cen­tu­ry Fox nicht zum Filmhauskino äußern; der Filmpalette sei »Mis­tress America« nicht angeboten worden, weil dort ein täglicher Einsatz, wie er für den Verleih bundesweit als Vor­aussetzung für die Vermietung war, nicht möglich gewesen wäre. Mit »Frances Ha« hatte der mittel­ständi­sche Verleiher MFA in Deutsch­land Erfolg; dass sich ein Verleih­rie­se wie Fox für einen »kleinen« Film wie »Mis­tress America« nicht ähnlich ein­setzen würde, will Beckmann nicht gelten lassen: »Fox ist dafür bekannt, dass sie auch klei­nen Filmen zu Erfolgen verhelfen. »Mistress America« ist tatsächlich der ein­zige von 32 Filmen, die wir in Deutsch­land im Jahr 2015 verliehen haben, der nicht in Köln gelaufen ist.«

 

Vergleicht man die Einspiel­er­geb­nisse in Deutschland von »Frances Ha« und »Mistress Ame­ri­ca« mit denen in den in den Vereinigten Staa­­ten ergibt sich interessanter­wei­se ein signifikanter Unter­schied: Ersterer machte hier knapp ein Vier­tel des US-Umsatzes, was ziemlich genau dem Verhältnis der Bevölkerungszahlen entspricht, letzter aber nur ungefähr ein dreißigstel. Über Grün­­de lässt sich nur spekulieren: Lag es an der zu starken »amerikanischen Innensicht«, die hier niemanden interessiert, am Verleih, am hart umkämpften Startdatum im Dezember?

 

Einig sind sich Verleiher und Kinobetreiber darüber, dass in Köln paradoxerweise manche Titel nicht zu sehen sind, weil hier ein halbes Dutzend Arthouse-Kino­betreiber um Filme konkurrieren — in Düs­sel­dorf und Bonn ist dieser Markt monopolisiert. Da die Kinomacher in Köln sich nur zum Teil absprechen, fällt vorab nicht auf, wenn immer wieder Filme überbucht — im Dezember etwa Can­nes-Gewinner »Dämonen und Wunder« — oder eben gar nicht gebucht werden.

 

Auf einen der am meisten erwarteten Filme 2016 trifft letzteres natürlich nicht zu: Quentin Tarantinos »The Hateful 8« — allerdings wird er in Köln auch nicht in der Form zu sehen sein, wie sein Regisseur sich das wünscht, also in der längeren analogen 70 mm-Fassung. Der Grund dafür ist in diesem Fall ganz einfach: Es gibt in Köln keinen einsatzfähigen Projektor mehr, der den Film spielen könnte. Wer dieses großartige sinnliche Kinoerlebnis haben will, muss bis nach Essen in die Lichtburg fahren.

So. 21.2. Noah Baumbach-Special in der Filmpalette

15.30 Uhr »Frances Ha«

18 Uhr »Mistress America« (OmU)