Ausgezehrte Heldinnen

Emanzipations-Drama: Suffragette von Sarah Gavron

Kaum zu glauben, dass es gerade mal hundert Jahre her ist, dass britische Frauen in London für ihr Wahlrecht auf die Straße gingen. Noch weniger ist zu glauben, dass diese Geschichte erst jetzt ihren Weg auf die große Leinwand findet.

 

Im ärmlichen Londoner East End gerät Maud Watts (Carey Mulligan) unfreiwillig in Unruhen, in denen die Frauenbewegung mit zivilem Ungehorsam das allgemei­ne Wahlrecht zu erstreiten sucht. Nach anfänglicher Skepsis wird der jungen Frau die Entrechtung und Unterdrückung bewusst.  Tatenlosigkeit ist nun keine Option mehr. Doch der Kampf um politische Partizipation hat ungeahnte Konsequenzen. Maud droht nicht nur das Gefängnis, sondern auch der Verlust von Mann und Kind.

 

»Suffragette« besticht durch eine unprätentiöse Optik: Bildgestaltung und Ausstattung zielen auf eine realistische Darstellung ab, zeigen ein tristes, von Armut gekennzeichnetes London und körperlich ausgezehrte Heldinnen. Regisseurin Sarah Gavron wählt in ihrer Verfilmung eines Drehbuchs der renommierten britischen TV- und Kino-Autorin Abi Morgan (»Shame«, »The Hour«) einen Blick auf ihre weiblichen Hauptfiguren, der niemals zu Elends-Voyeurismus einlädt und niemals die Körperlichkeit der Frauen zur Schau stellt.

 

Die Heldinnen sind unglamourös und gewinnen dadurch an Stärke. Es braucht kein Pathos, um die Bedeutung von Anführerin Emmeline Pankhurst (Meryl Streep) zu betonen. Und es braucht keinen Mitleid haschenden Druck auf die Tränendrüse, um von der Tapferkeit Mauds und ihrer Mitstreiterinnen zu erzählen. Gavon inszeniert beklemmende Momente von Unterdrückung — jedoch stets, ohne ihre Figuren in die Position eines Opfers zu rücken.

 

»Suffragette« ist also nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch und dramaturgisch ein feministischer Film, der mit Sehgewohnheiten bricht. Auch die Handkamera von Edu Grau trägt dazu bei, zu verunsichern. In Massenszenen vermitteln die wackligen Bilder und schnellen Schnitte ein Gefühl von Orientierungslosigkeit. Die für das Publikum durchaus strapaziöse Kameraführung erzeugt eine Atmosphäre der Not und Bedrängnis, die bis zum Ende packend ist.