Gegen die Funkstille!

 

In Kölner Flüchtlingsheimen ist ein Internetzugang immer noch­ ­Mangelware. Eine Gruppe von Freifunk-Aktivisten verspricht jetzt unbürokratische Hilfe. Die Stadt steht einer Kooperation kritisch gegenüber

 

Es ist immer die gleiche Szene: Ein Zug bringt eine Gruppe Flüchtlinge zur Drehscheibe am Flughafen Köln-Bonn. Kaum angekommen, loggen sie sich per Smartphone ins WLAN ein. Whatsapp und Facebook sind existenziell, um den Kontakt in ihre Heimatländer halten zu können. 

 

Aber nur in wenigen der über siebzig Flüchtlings-unter-künf-te in Köln gibt es WLAN wie am Flughafen. Oft fehlen eine passende Infrastruktur und ausreichend Bandbreite. Um sich im neuen Leben in Deutschland zurecht zu finden, ist das Internet jedoch von immenser Bedeutung. Die Öffnungszeiten von Behörden, Google Maps und Übersetzungswebsites — für all das benötigt man das Internet. Die Mitarbeiter städtischer Unterkünfte sind in der Regel nicht einmal an das Verwaltungsnetz angebunden.  Einen neuen Zugang einzurichten ist langwierig: Stadtverwaltung, Haus- und Grundstückseigentümer und die Betreiber der Unterkünfte müssen dazu an einem Strang ziehen. 

 

Einige Leiter von Flüchtlingsunterkünften ergreifen deshalb die Initiative. Ralf Plesser, Betreiber des Hotel Mado, hat den Ausbau der Internetverbindung für die 130 Bewohner aus eigener Tasche finanziert. »Das muss man selbst in die Hand nehmen«, sagt er. Nach Unterstützung durch die Stadt habe er gar nicht erst gefragt. Für die Bewohner wurde zudem mit Hilfe der Initiative »Will-kommen in der Moselstraße« ein Computerraum im Hotel eingerichtet, in dem auch ein e-learning Deutschkurs zur Verfügung steht. 

 

Die rund 600 Bewohner der Unterkunft an der Herkulesstraße dagegen haben noch keinen Internetzugang. Für die Notaufnahme-Einrichtung wäre dieser besonders dringlich, damit Neuankömmlinge ihren Angehörigen rasch ein Lebenszeichen geben können, weiß Julia Fukuda von der Willkommensinitiative Ehrenfeld. »Wir konnten nicht herausfinden, was die Stadt daran hindert, hier eine schnelle Lösung anzugehen.« Die Unterkunft ist mit DSL-Leitungen ausgestattet, ins Internet können die Bewohner aber nicht. »Wir gehen davon aus, dass die Stadt den Bewoh-nern bald ein Passwort mitteilen wird«, sagt Heimleiter Jochen Ihring vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) auf Anfrage. Das zuständige Amt für Informationsverarbeitung bei der Stadt Köln sagt dagegen, dass der Internetprovider Netcologne für die Vergabe der Passworte zuständig sei.

 

Während die einen noch auf ein Passwort warten, baut die Initiative »Freifunk« WLAN-Netze auf, die von jedem anonym und kostenlos genutzt werden können. Beim Treffen der Freifunk-Gruppe in Ehrenfeld geht es um Backbone, Uplink und Mesh-Network. »Eigentlich ist alles ganz einfach«, erklärt Dirk Theisen, der sich bereits seit 2008 bei Freifunk engagiert. Mithilfe eines Freifunk--Routers kann jeder seinen Internetzugang für andere Nutzer öffnen, so dass eine flächendeckende, freie digitale Infrastruktur entsteht. »Für mich ist der Zugang zum Internet ein Grundrecht«, sagt Theisen. »Wir stellen einen un-limitierten Internetzugang zur Verfügung, ohne Werbung und ohne Nutzerdaten zu kontrollieren.«

 

Gerade Flüchtlingsheime profitieren von der Freifunk-Idee. In Bonn haben Freifunker zwei Unterkünfte mit WLAN versorgt. Lokale Internetzugänge gab es nicht, daher wandten sie sich an die Kirchengemeinden vor Ort. Die Gemeinde St. Petrus erlaubte das Anbringen von Routern in zwei Kirchtürmen in der Nachbarschaft. Weil keine Häuser oder andere Hindernisse im Weg sind, konnte über die Installation der Router in den Türmen eine Richtfunkstrecke aufgebaut werden. Um genügend Bandbreite für die insgesamt rund 300 Flüchtlinge in den beiden Unterkünften  bereitstellen zu können,  sprachen die Freifunker Anwohner und Geschäfte in der Nähe an.  

 

Erste Erfolge gibt es auch in Köln. In Worringen ist eine Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über Freifunk ans Netz gegangen, die jungen Bewohner können jetzt über ihre Smartphones Kontakt zu ihren Familien halten. Als nächstes sollen weitere Heime in -Worringen und Blumenberg mit Freifunk versorgt werden. »Das wird auch andere Heimbetreiber von ›Freifunk‹ -überzeugen«, hofft Freifunker Dirk Bachhausen. Auch die Landes-Unterkunft an den Domgärten in der Südstadt wird nach Eröffnung über Freifunk ans Netz gehen, die feste Zusage der Bezirksregierung hat Bachhausen bereits. 

 

Im Gegensatz zur Bezirksregierung ist die Stadtverwaltung zu einer Kooperation mit »Freifunk« nicht bereit. Dort hegt man rechtliche Bedenken, denn in Deutschland gilt die sogenannte Störerhaftung. Wenn jemand eine Urheberrechtsverletzung über einen fremden Internetanschluss begeht, wird dafür der Anschlussinhaber haftbar gemacht. Im April 2015 forderte der Stadtrat auf Initiative der Piraten, alle Flüchtlingsheime mit Freifunk auszu-statten. Nach Aussage der Verwaltung nach der Prüfung, sei das nicht möglich. »Wir sind offen für die Freifunk--Initiative. Dennoch müssen wir bei der Bereitstellung von WLAN den rechtlichen Rahmen einhalten«, sagt Dieter Kruse, stellvertretender Leiter des Amts für Informationsverarbeitung. 

 

Doch Initiativen wie »Freifunk« seien von der Stö-rerhaftung ausgenommen, erklärt Ramon Waldherr, der für die Köln-Bonner »Freifunk«-Gruppe die technische Bereitstellung betreut. Die Freifunker würden nicht den Anschluss, sondern lediglich das Netz für die Datenübermittlung zur Verfügung stellen und daher nicht für Rechtsverstöße der Nutzer haften. So sieht es auch die Landes-regierung. Bereits im Juni 2015 wollten SPD, Grüne und Piraten im Landtag NRW die »häufig von Unkenntnis geprägten Akzeptanzprobleme« von Freifunk auf Seiten der Kommunen abbauen, um den Aufbau freier Netze voran zu treiben.

 

Die Stadt Köln möchte die digitale Versorgung der Unterkünfte auf anderem Wege sicherstellen: Netcologne soll den Netzzugang sponsorn. Der Zugang wird — wie bei den Hotspots, die es bereits gibt — reglementiert sein: Die Bewohner müssen sich registrieren, alle 60 Minuten ist eine neue Anmeldung nötig. »Eine Beschränkung für diejenigen, die eine illegale Nutzung planen«, meint Dieter Kruse . Man wolle die Nutzung jedoch »beobachten und nach Möglichkeit den Bedürfnissen der Flüchtlinge anpassen.« Thomas Hegenbarth von den Piraten hält das für angemessen: »Im Vergleich zu anderen Kommunen macht Köln das schon gut. Da sollten wir die Stadt loben.« 

 

Dennoch könnten Monate vergehen, bis die Bewohner das Netcologne-WLAN nutzen können. Der »Prioritätenplan« der Stadt ist großzügig kalkuliert:  Erst Ende 2016 gehen tatsächlich alle Unterkünfte ans Netz. In der Zwischenzeit ist weiterhin Eigeninitiative gefragt. »Es sind schon Leute auf uns zugekommen, die in der Nähe einer Unterkunft wohnen und wissen wollten, wie sie ihren Router aufstellen müssen, um ihr WLAN mit den Flüchtlingen zu teilen«, erzählt Freifunker Ramon Waldherr. »Wir verstehen uns ja vor allem als Mitmach-Netzwerk.« Am Freifunk-Netz kann sich schließlich jeder beteiligen: -Router kaufen, Freifunk-Software aufspielen und Teil des freien Netzes werden.