Auf benachbarten Gipfeln

Eine Gruppenausstellung versucht sich in

iranischer Migrationserzählung

»Berge begegnen sich nicht, wohl aber Menschen« besagt ein persisches Sprichwort. Ein schönes Bild: Berg und Berg treffen niemals aufeinander, weil sie durch Täler getrennt sind, wohl aber Menschen an einem dritten Ort, so unterschiedlich sie auch sein mögen. In der Michael-Horbach-Stiftung begegnen sich unter diesem Titel nun sechs KünstlerInnen mit iranischen Wurzeln, alle sechs leben und arbeiten seit vielen Jahren in Deutschland.

 

Der Aufhänger ist die Heimat der Eltern und das Interesse für die Entwicklung, die ihre Kunst durch die Migration genommen hat, sei es ungewollt in früher Kindheit wie bei Linda und Reza Nadji oder ganz bewusst, nach dem Studium, bei Bahar Batvand. Gast-Kurator Gérard A. Goodrow zeigt jede Position in einer räumlich in sich geschlossenen Werkschau und umgeht so das Problem, das solchen »Schubladen-Ausstellungen« oft zu eigen ist, nämlich Werke, die inhaltlich oder formal eigentlich nichts verbindet, auf einen Nenner bringen zu wollen.

 

Während Pari Moradi sich seit mehreren Jahren zeichnerisch an Tonscherben von zerbrochenen Krügen abarbeitet und Assoziationen an archäologische Stätten und zerstörte Kulturdenkmäler hervorruft, schreibt Gila Abutalebi grafische Muster aus unzähligen »K«, kombiniert orientalische Kalligrafie und die Mehrdeutigkeit von Sprache. Unter den fünf Kunsträumen sticht aber der von Reza und Linda Nadji heraus. Mit 29 ist Reza Nadji zum ersten Mal zurück nach Teheran gereist, ein Ort, den er unbewusst kannte, ohne ihn wirklich zu kennen. Den widersprüchlichen Mix aus staatlich diktierter Religion und jahrtausendealter Kultur, politischer Isolation und westlicher Orientierung, Stagnation und Chaos fand er an jeder Straßenecke. Seine Fotos zeigen, anhand der inneren Strukturen der Stadt, ein Porträt der Bewohner. Bei Linda Nadjis Installationen rufen die Betonkoffer Fragen nach Heimat, Zugehörigkeit und Migration auf; die geöffneten grauen Briefumschläge, eigentlich Transportmittel für unliebsame Behördenpost, werden zum fliegenden Wandteppich zusammengenäht. Banalste Gegenstände, die man durch ihre leichten Eingriffe ganz neu sieht.

 

Man ist geneigt, die Verbindung über »das Persische« in den Arbeiten der sechs Künstler zu suchen. Die findet sich am ehesten in einer gemeinsamen Gesinnung, dem Blick auf die ehemalige Heimat, der mal mehr, mal weniger durchscheint. Davon hätte man gerne mehr erfahren.