Wir müssen übers Remixen reden

Der Netzaktivist Leonhard Dobusch will das Urheberrecht der Remixkultur anpassen

So ziemlich genau vor einem Jahr (Netzmusik #28, StadtRevue Februar 2015) versprachen wir, uns des Remix-Themas anzunehmen. Heute machen wir das, und zwar im Interview mit Leonhard Dobusch, der gemeinsam mit Markus Beckedahl und anderen im Jahr 2013 die Initiative »RechtAufRemix.org« gegründet hat.

Eure Initiative wurde mit einigem Aufwand in Form zeitgemäßer digitaler Kommunikation ins Leben gerufen und hat seitdem einiges an Aufmerksamkeit erfahren. Wie kam es zur Gründung, wer war der Treiber, was hat den Ausschlag gegeben? Die Idee entstand im Rahmen des Digitale Gesellschaft e.V. aus Anlass der damals anstehenden Evaluierung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Für den Digitale Gesellschaft e.V. war und ist Urheberrecht immer eines der zentralen Themenfelder, weil offener Zugang zu Wissen und Kultur im Netz stark von urheberrechtlichen Regelungen abhängt. Bei der Verabschiedung der noch aktuellen Urheberrechtsrichtlinie im Jahr 2001 gab es weder Facebook noch YouTube.

 

Dementsprechend einseitig und unzeitgemäß sieht das europäische Urheberrecht auch aus. Die Initiative »Recht auf Remix« war deshalb von Anfang an längerfristig ausgelegt und soll den derzeit laufenden Reformprozess des Urheberrechts in Deutschland und Europa konstruktiv begleiten.

 

Wie beurteilst du das bisher Erreichte und den Status Quo eures wichtigsten Ziels, eines europaweit gültigen Rechts auf Remix? Wir haben bewusst Forderungen für die europäische als auch die deutsche Ebene formuliert. Natürlich wäre uns eine flexible Ausnahme für Remixkultur im EU-Urheberrrecht am liebsten, zum Beispiel nach Vorbild der Fair-Use-Klausel im US-Copyright allerdings gekoppelt mit einer pauschalen Vergütung für die Künstler. Aber auch in Deutschland gibt es Spielräume, um das Urheberrecht besser mit Remixkultur kompatibel zu machen. Beispielsweise ließe sich das viel zu restriktive Zitatrecht flexibilisieren, sodass auch Bild-, Musik- und Filmzitate — etwa in Memes — leichter möglich wären. Österreich ist im Rahmen seiner letzten Urheberrechtsnovelle bereits einen Schritt in diese Richtung gegangen.

 

Welche Rolle könnten Creative-Commons-Lizenzen spielen? Wir haben zu Creative Commons einen eigenen Punkt in unseren FAQs, wenn ich daraus zitieren darf: »Prinzipiell ist Creative Commons eine gute Option, um anderen den Remix der eigenen Werke zu erleichtern. Ein gesetzliches Recht auf Remix kann Creative Commons aber jedoch aus einer Reihe von Gründen nicht ersetzen: Erstens: Der Pool an Werken, die zum Remix zur Verfügung stehen, wäre auf Creative-Commons-lizenzierte Werke beschränkt. Zweitens: Viele Kunstschaffende, die Mitglied von Verwertungsgesellschaften wie z.B. der GEMA sind, dürfen keine einzelnen Werke unter Creative Commons veröffentlichen. Drittens: Zentrales Merkmal der Remixkultur ist die umgestaltende und kreative Nutzung von Artefakten der Mainstream-Kultur, die in der Regel gerade nicht unter Creative Commons veröffentlicht werden.«

 

Wir brauchen also so etwas ein Fair-Use-Prinzip nach US-amerikanischem Vorbild. Wäre das im europäischen oder im deutschen Rechtsraum überhaupt abzubilden? Auf Perspektive werden wir um ein Pendant zu Fair Use in Europa nicht herumkommen. Unser bestehendes System aus spezifischen, so genannten Schranken- und Ausnahmebestimmungen ist einfach zu starr und zu wenig innovationsoffen.

 

Mit Schranken ist der Ausgleich von Interessen des Urhebers und des Nutzers gemeint? Genau. Mit »Recht auf Remix« treten wir für eine Lösung ein, das vorhandene System um eine Art offene Schranke nach Fair-Use-Vorbild zu erweitern. Damit das aber funktionieren kann und nicht zu einer noch weiteren Zersplitterung des EU-Urheberrechts führt, müssen dafür zunächst die Ausnahmeregelungen harmonisiert und verbindlich gemacht werden. Wir freuen uns deshalb darüber, dass der zuständige EU-Kommissar Oettinger die Idee einer einheitlichen, unmittelbar gültigen EU-Urheberrechtsverordnung aufgeworfen hat. Auch wenn das kurzfristig unrealistisch ist, mittel- bis langfristig muss eine Verordnung das Ziel sein.

 

Kannst Du uns ein aktuelles Beispiel einer Abmahnung wegen nicht legaler Nutzung von Samples nennen? Die größten Probleme haben mit Sicherheit Remix- und Mashup-Künstler wie zum Beispiel Mashup Germany, dessen Sound­cloud-Account mit über 100.000 Followern kürzlich gelöscht wurde. Ihm fällt es sogar schwer, seine Kunst überhaupt öffentlich zugänglich zu machen, von kommerzieller Verwertung gar nicht erst zu sprechen. Aber Abmahnungen sind eigentlich das kleinere Problem. Das größere ist, dass viele kreative Werke nie entstehen oder gar nicht veröffentlicht werden, weil den Kreativen das rechtliche Risiko, die Kosten und der Aufwand der Rechteklärung viel zu hoch sind. Genau deshalb wünschen wir uns eine Lösung, die letztlich auf Regelungen wie jene bei Cover-Versionen hinausläuft. Cover-Versionen können auch ohne aufwändige Rechteklärung problemlos veröffentlicht und sogar verwertet werden.

 

Leonhard Dobusch forscht als Uni­versitätsprofessor für Organisation an der Universität Innsbruck unter anderem zum Management digitaler Gemeinschaften und transnationaler Urheberrechtsregulierung. Er twittert als @leonidobusch und bloggt privat als @Leonido sowie gemeinsam mit anderen auf dem englischsprachigen Forschungsblog governancexborders.com sowie auf netzpolitik.org