Pionier: Der Opérateur Charles Moisson am Cinématographen

Als die Bilder lebendig wurden

Vor 120 Jahren fand in Köln die erste Filmvorführung statt:

War es auch die erste in Deutschland?

Am 20. April 1896 erlebte Köln eine wahrhaft historische Premiere: Zum ersten Mal fand in Deutschland eine Vorstellung für ein zahlendes Publikum statt, in der ausschließlich die Projektion von Filmen auf dem Programm stand. Das erste Kinoprogramm am Augustinerplatz 12 (heute Hohe Pforte) umfasste zwölf Filme der Gebrüder Lumière. Dennoch war es kurz, schließlich war ein Film damals nur knapp eine Minute lang. Nach der Vorstellung schwärmte der Kölner Stadt-Anzeiger von der »überraschenden Natürlichkeit« der Szenen und auch das Publikum spendete den Vorführungen »reichen Beifall«. »Zweifellos wird der Apparat hier in Köln großes Aufsehen erregen« verhieß der Reporter — und er sollte Recht behalten. Sechs Wochen lang gab es ein tägliches Filmprogramm von 11 bis 13 Uhr und von 15 bis 22 Uhr — ganz so wie im heutigen Kino. 

 

Dass Köln sich rühmen kann, »Geburtsort« des Kinos in Deutschland zu sein, hat die Stadt dem Schokoladenfabrikanten Ludwig Stollwerck zu verdanken. Der rührige Vertriebschef der Kölner Schokoladenfabrik im Severinsviertel hatte über eine Tochtergesellschaft, die Deutsche Automaten-Gesellschaft, das Alleinvertretungsrecht des »Cinématographe Lumière« in Deutschland erworben. Stollwerck war von der besonderen Qualität der leicht handhabbaren Apparatur, die Filmkamera und Projektor in einem war, überzeugt. Auf seine Initiative hin unterbrach der französische »Operateur« (so nannte man die ersten Kameramänner und Vorführer) seine Reise von Paris nach Berlin, machte in Köln Station und präsentierte am 16. April 1896 den Arbeitern und Arbeiterinnen in der »Volksküche« der Schokoladenfabrik erstmals die »lebenden Bilder« in Lebensgröße auf der Leinwand. Am besagten 20. April gab es dann für das Kölner Publikum die erste öffentliche Kinovorführung.

 

Die Konkurrenz war groß: Mitte der 1890er-Jahre waren Erfinder und Unternehmer in den USA, in England, in Frankreich und in Deutschland mit der Entwicklung neuer Technologien zur fotografischen Aufnahme und Wiedergabe bewegter Bilder beschäftigt. In Berlin baute Max Skladanowsky gemeinsam mit seinem Bruder Emil eine erste Filmkamera (»Kurbelkiste I«) und später den Projektor »Bioskop«. Am 1. November 1895 führte er im Wintergarten des Berliner Hotels Central seine ersten Filme vor, darunter das legendäre »boxende Känguru«. Das 15-minütige Filmprogramm lief als Schlussnummer im Varietéprogramm des Wintergartens. Vier Wochen lang gab es tägliche Filmvorführungen vor ausverkauftem Haus. Dennoch handelte es sich — anders als später in Köln — noch nicht um eine reine Kinovorführung, in der allein die Filme das Programm bestritten. Die Projektionstechnik des Bioskop erwies sich zudem als zu kompliziert und aufwändig; es setzte sich nicht durch und bereits 1897 erfolgte seine letzte Vorführung.

 

Nicht nur die Brüder Skladanowsky zählen zu den frühen Filmpionieren, auch Ottomar Anschütz (»Schnellseh-Automat«) und Oskar Messter (»Biophon«), der amerikanische Unternehmer Thomas Alva Edison (»Kinetoscope«), der französische Erfinder Georges Démény (»Phonoscope«) und der britische Fotograf Birt Acres (»Kineopticon«) trieben die Entwicklung voran. Kinoähnliche Filmvorführungen waren zunächst noch nicht geplant. Vielmehr waren die ersten bewegten Bilder in Guckkästen und Automaten zu sehen. Automaten wurden als neuartiger Vertriebsweg für Unterhaltung ebenso wie für den Verkauf von Waren eingesetzt (u.a. die Stollwercksche Schokolade). 

 

Erst die bahnbrechende Erfindung des Cinématographe Lumière brachte die Bilder weltweit auf der Leinwand zum Laufen. Als Geburtsstunde der Kinematografie gilt daher allgemein der 28. Dezember 1895. An diesem Tag präsentierten August und Louis Lumière im Pariser Grand Café erstmals ihre selbstgedrehten Filme gegen Eintrittsgeld einem staunenden Publikum. Nur vier Monate später war es dann auch in Köln soweit. Die Kameramänner der Gebrüder Lumière drehten im Mai 1896 auch die ersten Köln-Filme: »Am Kölner Dom nach dem Hauptgottesdienst«, »Ankunft eines Eisenbahnzuges auf dem Kölner Hauptbahnhof« und »Feierabend einer Kölner Fabrik«. Mit einer einzigen kaufmännischen Entscheidung hat Stollwerck deutsche Film- und Kinogeschichte geschrieben.