Ohne Schatten: Aziza Brahim

Aziza Brahim

Die Songschreiberin Aziza Brahim aus der Westsahara lebt im Exil. Dort pflegt sie lakonisch die Tradition ihrer Heimat

Ein bezaubernder Reichtum geht von dieser Musik aus: Sie ist nicht auf eine Stimmung festgelegt, nicht auf ein Tempo, nicht auf eine Tradition. Die Rhythmen und Klänge des Mittelmeers und Westafrikas fließen zusammen und strömen hinüber zum westlichen Rock, -dessen Härte und Vordergründigkeit in dieser Synthese ihre Dominanz verlieren. Überhaupt geht es nie um Dominanz: Aziza Brahim ist eine großartige Sängerin (und auch Songschreiberin und Bandleaderin), aber das Großartige besteht eben darin, dass sie klar, souverän, nuancenreich singt, die anderen Musiker aber nicht in den Schatten stellt.

 

Es ist politische Musik im strikten Sinne: Die bald 40-jährige Brahim stammt aus der Westsahara, und während sich die Linke wortreich über die Unterdrückung, Vertreibung und Entrechtung der türkischen Kurden oder der Palästinenser beklagt, vergisst nicht nur sie, dass auch Marokko ein brutales Besatzungsregime unterhält und die Westsahara in eine Kolonie verwandelt hat. Brahim ist in einem Flüchtlingslager im algerischen Grenzland aufgewachsen und lebt als Sängerin und politische Aktivistin seit zwanzig Jahren im Exil, derzeit in Barcelona. Der Titel ihres aktuellen Albums »Abbar el Hamada« (»Durch die Hamada«) spielt darauf an, denn die Sahrauis bezeichnen so das Grenzland, das sie als Rückzugsgebiet vor der marokkanischen Armee nutzen.

 

Mit ihrem dritten Album »Soutak« (2014 auf Glitterbeat erschienen) hat sie ihren definitiven musikalischen Ausdruck gefunden, den sie nun noch verfeinert und farbenreicher gestaltet hat. Brahim pflegt die sahrauische Tradition nicht dogmatisch, sondern findet ihre Identität in den zersplitterten Lebensbedingungen des Exils, was es ihr ermöglicht, frei und offen mit anderen Traditionen umzugehen. So hat sie den senegalesischen Percussionisten Sengane eingeladen, dessen Kontrarhythmen die Musik in einen regelrecht schwebenden Zustand versetzen. Brahims musikalische Vision ist großherzig, aber nicht larmoyant oder sentimental. Sehr gefasst, fast schon lakonisch spielt sie ihre Songs, die in anderen Händen schnell süßlich hätten klingen können. »Abbar el Hamada« ist sicher eines der wichtigsten Alben in diesem Frühjahr.

 

StadtRevue präsentiert

Konzert: Mo 9.5., Studio 672, 21 Uhr

Tonträger: »Abbar el Hamada« (Glitterbeat/Indigo)