Filmwerbung in Köln im Jahr 1956, Foto: J.H. Darchinger, © Fotoarchiv Jupp Darchinger im AdsD des FES

»Kinematographenpest« in Köln

Ein neues Buch erzählt die ruhmreiche Geschichte der Kölner Lichtspielhäuser.

»Ein Krebsschaden für die Volksgesundheit« sei das Kino — das stammt nicht von einem AfD-Funktionär, sondern von Konrad Adenauer. In der Debatte über die Erhöhung der »Lustbarkeitssteuer« 1912 benutzte der spätere Kölner Oberbürgermeister und erste Bundeskanzler die Formulierung. Auch der Begriff »Kinematographenpest« befand sich in seinem Wortschatz. In der Kölner Politik hatte das Kino schon früh einen schweren Stand.

 

Das Verdienst, dies in den Archiven entdeckt zu haben, gebührt Marion Kranen und Irene Schoor. Nach »Köln im Film — Film-geschichte(n) einer Stadt« legen sie jetzt mit »Kino in Köln — Von Wanderkinos, Lichtspieltheatern und Filmpalästen« das nächste Standardwerk zur lokalen Kulturgeschichte vor. Minutiös haben sie die Historie der Kölner Kinos recherchiert. Auch wenn die Details auf den 360 Seiten einen Laien erschlagen dürften, ist »Kino in Köln« keine trockene Lektüre. Dafür sorgen die vielen großartigen Fotos — nicht zuletzt von den Räumen der Kölner Kinopaläste. Hier kann man die Pracht des »Boccaccio« an der Schildergasse erahnen und ebenso den modernistischen Chic der »Hahnentor Lichtspiele«, einem von Wilhelm Riphahn entworfenen Bau, der 1986 abgerissen wurde, bevor der Denkmalschutz das Gebäude gesichert hätte. An der Stelle entstand dann die Hauptfiliale der Stadtsparkasse, die heute noch die Südseite des Rudolfplatzes verschandelt.

 

Neben den Fotos bieten viele Einschübe und Infokästen mit Quellen, Anekdoten und Zahlen Abwechslung. So erfährt man, dass allein 1906 und 1907 mehr Lichtspielhäuser in Köln eröffneten, als es heute insgesamt in der Stadt gibt. Mit dem Siegeszug des Fernsehens in den 50er Jahren rutschte das Kino in eine Krise, von der es sich nicht mehr erholt hat. Das ist bekannt, aber die Zahlen sind für jeden Kinoliebhaber immer wieder erschütternd: Noch 1956 galt Köln nach Berlin als kinofreudigste Stadt Deutschlands. 25,5 Mal im Jahr ging hier damals jeder Bürger im Schnitt in die insgesamt 84 Lichtspielhäuser. 2014 empfingen die verblieben 14 Kinos den Kölner durchschnittlich nur etwas mehr als zweimal.

 

 

Di 24.5. Vorstellung des Buchs »Kino in Köln« und Filmprogramm, Odeon, 19 Uhr