Viele Fragen offen

Zum Ausgang des Prozesses Lothar Ruschmeier gegen StadtRevue

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte die Stadtrevue massive Vorwürfe gegen den damaligen Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier wegen seines Verhaltens beim Bau der Müllverbrennungsanlage erhoben. Dies hatte zu Prozessen gegen uns und die Bürgerinitiantive KIMM geführt, die jetzt abgeschlossen sind. Ein Rück- und Ausblick

Im Frühjahr 1997 hatten einige Bürger Kölns gegen Lothar Ruschmeier Strafanzeige erstattet. Sie behaupteten, der Abschluß des Vertrages zum Bau der Müllverbrennungsanlage (MVA) zwischen der AVG (einer privaten Gesellschaft, in der die Stadt die Mehrheit hat) und der Firma Steinmüller durch Ruschmeier erfülle den Tatbestand der Veruntreuung, da dieser Vertrag nicht zuvor vom Rat der Stadt gebilligt worden sei. Im Zuge der Ermittlungen verteidigte sich der Oberstadtdirektor u.a. mit der Behauptung, ein Schaden für die Stadt habe nicht entstehen können, da eine endgültige Zahlungsverpflichtung erst nach Genehmigung der Anlage durch Regierungspräsident Antwerpes entstanden wäre. Diese Genehmigung wurde Anfang 1996 erteilt, aber bereits 1995 – als es um das Bürgerbegehren gegen die städtische Müllpolitik ging – hatte Ruschmeier von drohenden Forderungen gegen die Stadt Köln in Höhe von 320 Mio. DM gesprochen, falls die Müllverbrennungsanlage nicht gebaut werde.
Die StadtRevue sah hierin einen massiven Widerspruch und titulierte Ruschmeier in ihrem damaligen Artikel mit entsprechenden Ausdrücken. Am Ende des Verfahrens steht nun fest, daß wir (im wesentlichen) die damals verwendeten Formulierungen nicht mehr verbreiten dürfen. Einen Teilerfolg errangen wir insoweit, als wir diese Äußerungen nicht widerrufen müssen, wozu wir nach dem Wunsch von Ruschmeier verurteilt werden sollten. Die Begründungen sind über weite Strecken juristisch so speziell, daß wir sie eigentlich auch beim gewonnenen Teil besser mit dem Satz kommentieren: »Tor ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.« Nutzlos aber war dieses Verfahren und die Strafanzeige gegen Ruschmeier (die noch nicht abgeschlossen ist) trotz der hohen Kosten nicht ganz. Der Dschungel städtischen Genehmigungsverfahrens ist an einigen Ecken gelichtet worden, und es sind dadurch neue Fragen entstanden, die der Beantwortung harren:

Wie hoch wäre der Schaden tatsächlich gewesen?

Als das Landgericht die Widerrufsklage von Ruschmeier abwies, hat es immerhin folgendes ausgeführt: »Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob ein Widerrufsanspruch auch daran scheitert, daß die vom Kläger in seiner Äußerung behauptete Höhe der Schadensersatzansprüche nicht hinreichend dargetan ist.« In der Tat: Woher die Zahl von 320 Mio. DM kam, hat sich im Verfahren zwar gezeigt, macht sie aber keineswegs nachvollziehbarer. Sie beruhte nämlich auf einem lediglich ein(!)seitigen Schreiben der Fa. Steinmüller vom 10.2.95 zum »Bürgerbegehren in Köln gegen das Abfallwirtschaftskonzept«, in dem es lapidar heißt: »Nach einer ersten Prüfung kommen wir zu dem Schluß, daß bei einer evt. Annullierung des Auftrages zum jetzigen Zeitpunkt ein Aufwendungsersatz in Höhe von ca. 320 Mio. DM von uns geltend gemacht würde.« Überprüft worden sind diese Zahlen städtischerseits weder in der Diskussion um das Bürgerbegehren noch später.

Ist die MVA zu groß?

Wir hatten Ruschmeier auch vorgeworfen, in der Diskussion um das Bürgerbehren alle Nachteile des Stops der MVA in grellsten Farben ausgemalt, die (auch finanziellen) Nachteile des Baus aber verschwiegen zu haben. Inzwischen hat z.B. der Kreis Euskirchen gegenüber Köln 192 Mio. DM eingeklagt, die die Eifelstadt durch den MVA-Bau verliert. Der Inhalt des darüber geschlossenen Vergleichs ist bis heute noch nicht bekannt gemacht worden, aber laut Kölner Stadt-Anzeiger nutzt Euskirchen die Kölner MVA nun zu erheblich günstigeren Konditionen als die Stadt Köln. Lothar Ruschmeier rechtfertigte das im Prozeß damit, daß durch den angeblich nicht vorhersehbaren größeren Organikanteil im Müll die Verbrennungskapazität nicht ausgeschöpft sei und es deshalb für die Kölner, die »die jährlichen Kosten der gesamten MVA alleine tragen müssen«, sinnvoll wäre, auch zu Dumpingpreisen weiteren Müll heranzuschaffen. Kaum mehr als zwei Jahre zuvor war NRW-Umweltministerin Höhn noch rüde angegangen worden, als sie eine erneute Bedarfsüberprüfung forderte.
Ändert sich nach Ruschmeier etwas?
Für das Jahr 1999 ist eine Steigerung der Müllgebühren um »nur« 2,7 Prozent angekündigt. Doch diese geringe Steigerung ist nur möglich, weil auch in diesem Jahr wieder die Gebühren praktisch subventioniert wurden, mit 14 Mio. DM aus Rücklagen (1998: 15 Mio.). Man muß kein Prophet sein, um zu wissen: Spätestens nach den Kommunalwahlen wird auch damit Schluß sein, für das Jahr 2000 werden sicherlich erheblichere Erhöhungen folgen.
Die AVG berechnet – jenseits von städtischen Überprüfungen – ein Verbrennungsentgelt pro Tonne. Es ist schwer vorstellbar, daß das Verwaltungsgericht diesen Entzug der Überprüfbarkeit der Gebühren billigen wird, spätestens in den Prozessen um die Müllsatzung 1998 wird diese Frage geklärt werden. Außerhalb der Grünen scheint das demokratische Selbstverständnis der Parteien aber schon so am Boden zu liegen, daß es nicht einmal mehr als peinlich empfunden wird, wenn Bürger das Verwaltungsgericht bemühen müssen, um die Gebührenkalkulation kontrollieren zu können.
Die Augen-Zu-Und-Durch-
Mentalität von SPD und CDU überdauert Ruschmeier, die nächste Erblast aus seiner Ära wird bereits sichtbar: Die Nutzungs-, Auslastungs- und Vermietungsprobleme der Köln-Arena samt Mantelbebauung. Das Projekt war und ist ein Lieblingskind Ruschmeiers: vorher als Vertreter der Stadt, jetzt als Angestellter des Arena-Investors Oppenheim. Ein Jeck, wer Böses dabei denkt.