Musik aus dem Netz

Plus Timbre Netlabel
(alle Veröffentlichungen!)

 

Wir müssen gestehen, uns ist zeitgenössische E-Musik im höchsten Maße suspekt. Vor allem, wenn sie allzu akademisch und gewichtig daher kommt. Da wird zu vieles auf ein Podest gehoben, was leicht dahingeworfen, als pures Spiel mit dem Klang ohne theoretische Metaebene durchaus seinen Reiz entfalten könnte. Vielleicht wirkt gerade darum das Plus Timbre Netlabel so sympathisch. Lässige unter Creative Commons Lizenz kostenlos ins Netz geworfene Klangexperimente, mit wenig Hintergrundinformationen, einfach so, einfach da, losgelassen auf die Welt, auf dass es irgendjemanden schon gefallen wird. Hier unsere Highlights.

 

 

Agate Rollings, »Glass«

 

Sollte J.G. Ballards Roman »Kristallwelt« je verfilmt werden, das hier wäre der perfekte Soundtrack. Sphärische Klangteppiche in unendlichen Hall getaucht. Darin eingebettet ein Klirren und kaltes Scheppern, Glocken aus Eis, brechende Kristalle, knisternde Strukturen. Die Zeit ist erstarrt. Ein kalter Schauer jagt über den Rücken. Hat sich da etwas bewegt? Klassisch schöne Sci-Fi-Sounds.

 

 

Atilio Doreste, »aera mare terra«

 

Drei Klanglandschaften zu je zehn Minuten, jeweils einem Element thematisch zugeordnet. Wir hören, wie Doreste mit Filzschlegeln ein Flugzeug, ein Schiff und eine Lokomotive bespielt. Dazu werden Umweltgeräusche eingespielt, die Doreste während seiner Reisen aufgenommen hat — während eines Flugs, einer Schiff- und einer Zugfahrt. Hin und wieder seine Stimme, mitunter durch ein Megafon verstärkt. Ein bestechend einfaches Konzept: der Klang der Dinge. Mehr braucht es nicht.

 

 

Vittorino Curci, »Breathing Strategies«

 

Hier steht drauf was drin ist: Vittorino Curci probiert verschiedene Anblastechniken bei seinem Altsaxofon aus. Salopp gesagt: Er pustet hinein und folgt beharrlich den Klängen, die dabei herauskommen. Nun sind ungewöhnliche Spielweisen in der neuen E-Musik schon lange nichts Neues mehr. Aber hier kommt es ganz unprätentiös daher. Ein Musiker experimentiert vergnügt mit seinem Instrument, improvisiert und hat ganz offensichtlich Spaß am Ausprobieren. Das lässt sich gut hören.

 

 

André Darius & Paul Mimlitsch, »Renga«

 

Diese vierzehn Miniaturen von je-weils rund zwei Minuten Dauer können gut als Crash Kurs für mo-derne frei improvisierte Musik dienen. Darius spielt E-Bass quer durch alle Lagen in diversen Techniken und macht nebenher mit seiner Stimme seltsame Geräusche. Mimlitsch spielt dazu wahlweise Bass-Klarinette oder Kontrabass-Klarinette, ebenfalls quer durch die Register. Allein durch diese Besetzung ist das hörenswert. Manchmal reagiert der eine auf den anderen, manchmal spielen sie auch munter aneinander vorbei. Titel wie »The Farting Frog« oder »Confetti People« mögen andeuten, dass nicht alles bierernst gemeint ist. Doch ist hier mehr als reine Spielerei am Wer-ke. Das Duo nennt seine Me-tho-de treffend »instant compositions«.