Das Böse kommt von innen

Autorenhorrorfilm: The Witch von Robert Eggers

Toll zu beobachten, wie das Horrorgenre nach vielen Jahren Splatter-Porno und postmodernem Teenie-Blödsinn wieder zu künstlerischer Ernsthaftigkeit findet. Nach großartigen Filmen wie »Babadook«, »It Follows« und »Ich seh, ich seh« bildet »The Witch« von Langfilmde-bütant Robert Eggers nun den nächsten Beitrag einer losen Reihe, die sich durch ästhetische Souve-ränität, einen betont unironischen Tonfall, eine konzentrierte Inszenierung und nicht zuletzt eine Rückbindung an gesellschaftliche Fragen auszeichnet.

 

Ganze fünf Jahre hat Eggers nach eigener Aussage recherchiert, um die Lebenswelt des Neuengland im frühen 17. Jahrhundert minutiös abzubilden. »The Witch« handelt von einer puritanischen Kernfamilie, die wegen der Renitenz ihres Patriarchen aus ihrer Kolonie gestoßen wurde und nun auf der Lichtung eines trüben Waldes ihr Farmerglück versucht. Bald mehren sich ungute Zeichen: Der jüngs-te Spross der Familie verschwindet unter rätselhaften Umständen, ein Schimmelpilz rafft die karge Mais-ernte dahin und stellt das Überleben in Frage. Treibt eine Hexe ihr Un-we-sen? Steht die Tochter Thomasin oder vielleicht sogar die ziemlich unheimlichen Zwillinge Mercy und Jonas mit Satan im Bunde? Es gilt das »Night of the Living Dead«-Prinzip: Konfrontiert mit einer Bedrohung von Außen, spielt sich der eigentliche Horror in der Gruppe selbst ab.

 

Gedreht wurde im kaum mehr verwendeten 1.66:1-Bildformat,
das an den klassischen europäischen Autorenfilm erinnert. Das anti-quier-te Englisch wird in der deutschen Synchronisation gelungen ersetzt, auch dank der hervorragenden Sprecher. Die stimmungsvoll-herbstlichen und kontrastarmen Bilder umgibt die schwermütige Aura der Vergangenheit. Auch das bedächtige, konzentrierte Erzähltempo lässt an alte Kino-tugenden denken.

 

Doch ist »The Witch« alles an-de-re als altbacken: Der Tradition des linken Horrorkinos folgend, das Monstrositäten zu Abweichungen von einer normativen Gesellschaft umdeutet, fokussiert Eggers auf die zerstörerischen Tendenzen religiösen Starrsinns. »The Witch« spielt im 17. Jahrhundert — doch im Zeitalter von Gotteskriegern und evangelikalem Frömmlertum sagt der Film auch einiges über die Gegenwart aus.

 

The Witch (dto) USA 2015, R: Robert Eggers, D: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie, 92 min. Start: 19.5.