»Kunst entsteht aus Durchmischung«

Drei Männer, ein Urlaub: Franz Müller über Happy Hour, Köln und seine Vorliebe für »schmutziges« Kino

Herr Müller, in »Happy Hour« sind drei Männer auf Kurzurlaub. Wie kamen Sie auf diese Geschichte?

 

Es ist ein Art freies Remake zweier meiner Lieblingsfilme: »The Last Detail« von Hal Ashby und »Husbands« von John Cassavetes. Kein Remake einer Geschichte, sondern der Konstellation dieser drei Typen, die ich dann mit persön-lichen Erfahrungen ausgestattet habe, was zum Teil sehr schmerzhaft war.

 

Aber auch sehr lustig.

 

Es ist lustig, dank der Schauspieler, die auch die Hosen heruntergelassen haben. Das fiel am Anfang nicht allen ganz leicht. Um sich so weit einzulassen, braucht es Vertrauen, das sich erst entwickeln muss. Ich hatte ja noch mit keinem der drei davor zusammengearbeitet.

 

Die drei spielen das sehr frisch und authentisch. Wurde am Set viel improvisiert?

 

Das hatte ich ursprünglich vor. Wenn ich manche Szenen sehe, kommt es mir heute selbst so vor, aber es war fast alles geschrieben. Dass das so locker daherkommt, ist tatsächlich die Leistung der Schauspieler. Ich hatte das Projekt auch gar nicht als Komödie geschrieben. Ich wundere mich bei den Premieren immer, dass da viel mehr gelacht wird, als ich erwartet hätte.

 

Wenn diese drei grundverschie-denen Typen auf Ihren eigenen Erfahrungen basieren, müsste man Sie fast für eine gespaltene Persönlichkeit halten.

 

Ich glaube, es sagt eher etwas darüber, dass Menschen im Grunde gar nicht so verschieden sind. Ich finde auch interessant, dass alle sagen, das sei ein reiner Männerfilm, während ich von Anfang an der Meinung war, eher das voyeuristische Interesse von Frauen zu bedienen. Weil die jetzt mal sehen können, was Männer so treiben, wenn sie unter sich sind. Aber auf Festivals haben mir Frauen dann immer wieder versichert, dass sie eigentlich genau dasselbe erleben, wenn sie zusammen wegfahren. Also auch zwischen den Geschlechtern ist es gar nicht so unterschiedlich. Auch da gibt es sofort diese Rollenzuweisungen. Es geht immer um Rollen, in die man reingewachsen ist. Und hier versuchen drei Männer einmal, ein bisschen auszubrechen.

 

Sie haben Kunst studiert, bevor Sie zum Film kamen. Da erwartet man extravagante Bildkompositionen, eine ausgefeilte Farbdramaturgie. Ihr Film wirkt dagegen unprätentiös.

 

Komischerweise hänge ich gar nicht so sehr am Bild. Wahrscheinlich, weil ich mich in der Hinsicht über die Malerei so lange ausgetobt habe und daher beim Film meinen Schwerpunkt eher auf das Erzählerische lege.

 

Mit Beginn Ihres Studiums an der Kunsthochschule für Medien in Köln haben Sie sich gleich im Filmclub 813 engagiert. Sind Sie da weiterhin aktiv?

 

Nein, seit ein paar Jahren nicht mehr. Das erste, was ich damals gemacht habe, war eine John-Cassavetes-Reihe. Ich habe danach mit anderen noch einige solcher Reihen organisiert, auch Leute dazu eingeladen und wahnsinnig viel dabei gelernt. Der Filmclub ist ja insofern eine Ausnahme, weil die Mitglieder fast alle Filmemacher sind.

 

Mit anderen Filmemachern Ihrer Generation sind Sie auch für das Filmmagazins Revolver verantwortlich. Wie wichtig ist Ihnen das?

 

Ein gemeinsames Forum zu haben, ist Gold wert. Die öffentliche Diskussion um Film in Deutschland ist sehr unterentwickelt. Unser Anliegen ist es, diese Diskussion in Gang zu bringen. Viele Interviews mit Filmschaffenden führen wir vor Publikum. So kommt eine ganz andere Unter-haltung über Film zustande.

 

Das erinnert an die französische Nouvelle Vague und ihre Zeitschrift Cahiers du Cinema. Es kam auch der Begriff der »Nouvelle Vague Allemande« in Bezug auf die deutsche Filmszene auf. Sie hat sich dann als »Berliner Schule« etabliert. Fühlen Sie sich zugehörig?

 

Zunächst einmal ist es einfach ein Label und mir relativ egal. Ich begreife mich als einen Filmemacher, der hier in Köln sozialisiert wurde. »Berliner Schule« bezieht sich ursprünglich auf den Kreis um Christian Petzold, Angela Schanelec, Thomas Arslan. Das war eine Antwort auf die intellektuelle Wüste der 90er Jahre, verbunden mit dem Anspruch, Filme zu machen, die auch international Interesse wecken. Aber ich fand schade, dass sich die Arbeiten aus diesem Umfeld so sehr auf das »saubere« Kino stützen, in der Tradition eines Robert Bresson oder Michelangelo Antonioni. Ich finde, dass das »schmutzigere« Kino auch eine Renaissance verdient hätte. Das ist eher meine Mission.

 

Was meinen Sie mit »schmutzig«?

 

Kein akademisches Kino. Cassa-vetes ist da ein Vorbild für mich. Oder Adam McKay heutzutage. Ich halte seinen Film »The Big Short« für ganz fantastisch. Mit schmutzig meine ich die Verunreinigung -zwischen E und U. Das wird in Deutschland nicht gerne gesehen. Hochkultur und Unterhaltungs-kultur werden immer noch stark getrennt. Und ich liege mit meinen Projekten meist dazwischen. Für die Öffentlich-Rechtlichen sind sie dann oft zu schmutzig. Die Privaten winken ab und sagen, das sei zu anspruchsvoll. Aber Kunst entsteht für mich aus der Durchmischung, aus Überraschung und Reibung. Das ist in meinen Filmen immer Thema gewesen. Ich glaube, es war Udo Jürgens, der gesagt hat, »Unterhaltung hat etwas mit Haltung zu tun«. Wenn man es so versteht, hat man schon sehr viel begriffen.