Instabile Welt

Psycho-Kammerspiel: Queen of Earth von Alex Ross Perry

Alex Ross Perry hat sich zu einer der interessantesten Stimmen im US-Independentkino entwickelt. Nach seinem tollen »The Color Wheel« erregte er Aufmerksamkeit mit dem prominent besetzten »Listen Up Philip«. Doch der Film lief hierzulande nur auf Festivals und nicht regulär in den Kinos. Seinem neuen Werk ist nun aber ein deutscher Kinostart vergönnt: »Queen of Earth« hat Perry ohne viel Budget im Anschluss an »Listen Up Philip« gedreht — wie immer auf körnigem 16mm-Material.

 

In »Listen Up Philip« hatte er der verlassenen Freundin des im Mittel­punkt stehenden narzisstischen Schriftstellers zwar ein schönes Intermezzo geschenkt, sich an­sons­ten aber ganz dem Porträt des männ­lichen Egos verschrieben. Nun widmet Perry sich ausführlich dem Schick­sal einer Frau, Catherine, nach ihrer Trennung: Elizabeth Moss, bekannt durch »Mad Men«, ist nicht nur Hauptdarstellerin, sondern auch wichtiger »Schauplatz« des Films: Das zentrale Drama spielt sich auf ihrem Gesicht ab. Atmosphärisch betritt Perry Neuland: »Queen of Earth« ist kein extrovertiertes Groß­stadt-Gequatsche zu flotter Jazzmusik wie »Listen Up Philip«, sondern zunächst eine Introspektion, die an Filme von Ingmar Berg­man erinnert: Um zur Ruhe zu kom­men, ist Catherine zu ihrer besten Freundin Virginia (Katherine Wa­terston) in deren Haus am See geflüchtet. Doch was als Dialog-Drama be­ginnt, entwickelt sich zum Psychothriller. Perry drückt seine pessimistische Sicht auf menschliche Beziehungen dieses Mal nicht aus, indem er amüsiert soziales Scheitern seziert, stattdessen ins­zeniert er ein klaus­trophobisches Kammerspiel.

 

Die Erzählung bricht dabei in dem Maße zusammen, wie eine ver­dräng­te Vergangenheit der Freundschaft aufgedeckt und latente Macht­­spiele immer stärker ausagiert werden. Rückblenden ver­mischen sich mit Gegenwärtigem, zentrale Ereignisse scheinen übersprungen zu werden. Und auch jenseits dieser erzählerischen Kniffe verliert »Queen of Earth« Stabilität: Die Räume werden enger, die Blickachsen immer wieder gestört die Kamera-Zooms sowie die virtuose Montage scheinen einer psychotischen Logik zu folgen. Wie Perry mit großem Vertrauen in unsere eigenen Projektionen eine instabile Welt erbaut, ist ziemlich großartig. Was den Menschen angeht, bleibt er skeptisch. Das Kino liebt er dafür umso inniger.

 

Queen of Earth (dto) USA 2015,
R: Alex Ross Perry, D: Elizabeth Moss, Katherine Waterston, Patrick Fugit,
90 Min. Start: 5.5.