Strippenzieher unter dem Radar: Yuri Englert und Judith Rosmair

Schnüffler im Dark Room

Angela Richter verschenkt in Silk Road ein gutes Thema

 

Mit ihrer neuen Inszenierung »Silk Road« bringt Regisseurin Angela Richter ein mathematisches Phänomen auf die Bühne: das Darknet. Ein rechtsfreier Raum, der sich jenseits von Suchmaschinen befindet. Im Darknet kann jeder ohne Überwachung durch NSA, FBI, BND & Co Daten tauschen, kommunizieren und illegalen Handel treiben. Eine der Handelsplattformen des Darknets ist auch der Titelgeber: »Silk Road«. Hier hatte mutmaßlich Ross Ulbricht, ein junger Physiker aus den USA, eine Ebay-ähnliche Plattform geschaffen, auf der in großem Stil Drogen gedealt wurden. Inzwischen hat das FBI ihn geschnappt und lebenslang eingebuchtet, Stoff für einen Thriller.

 

Doch darf man sich vom Titel nicht irreführen lassen. Zwar wird Ross’ Geschichte in zwei Szenen prominent behandelt, aber das ist nur eine Facette von vielen. Zum Beispiel erzählen in einer schrecklich albernen Szene drei Drogenhändler in weißen Rokoko-Kostümen mit übertrieben schlechtem französischen Akzent oder sächsischem Dialekt von ihren Verkaufsmethoden. Auch Zoophilie und Kinderpornografie werden szenisch umgesetzt; alles in direkter Ansprache zur Rampe gespielt. Judith Rosmair lässt in ihrem Monolog den erschreckendsten und stärksten Moment des Abends entstehen. Allein die Geschichte über ein Mädchen aus einem Waisenhaus in Osteuropa, das auf widerwärtigste Weise als Lolita-Sextoy verstümmelt und gefoltert wird, lässt niemanden kalt. Rosmair spielt das Mädchen aber mit der Unschuld einer sechsjährigen, die von ihrem Missbrauch erzählt, als ob es ihr erster Schultag wäre.

 

In den erklärenden, didaktisch anmutenden Passagen zieht sich Richter in der Darstellung auf Clownerie zurück wie die beiden FBI-Schnüffler, dargestellt als Hunde, die die Grundlagen des Darknets mit extrem albernen Wortspielen erklären. Selbst die im Chor vor­getragenen emanzipatorischen Manifeste gegen Überwachung werden zumindest im Nachgang ironisch gebrochen. Es scheint, als habe Angela Richter hier gescheut, Stellung zu beziehen, um sich nicht wieder dem Agitprop-Verdacht ­auszusetzen.

 

Als Theaterstück wirkt »Silk Road« diffus und ohne rechten Zug. Allerdings muss man Richter zugute halten, dass sie die richtige Frage im Zusammenhang mit dem Darknet stellt: Warum entstehen im rechtsfreien und anonymen Raum solche Perversionen? Leider reicht das allein aber nicht für ein gutes Theaterstück.