In weiter Ferne so nah

Science-Fiction-Allegorie: The Whispering Star von Sion Sono

Yoko, ein weiblicher Android, liefert galaxisübergreifend Pakete aus. Der Weltraum erstreckt sich weit und leer um sie herum, die Zeit zwischen den einzelnen Lieferungen vergeht langsam, vor allem weil es nichts anderes zu tun gibt, als der nächsten Landung zu harren und dabei das Raumschiff zu warten. Sicher, da ist der mittlerweile in die Jahre gekommene, entsprechend marode Bordcomputer, mit dem sich ein wenig philosophieren lässt — doch ansonsten: Nichts als das Schweigen des Alls und das Funkeln der Sterne, von denen viele, man weiß es, schon nicht mehr existieren, wenn ihr Leuchten Yoko erreicht. 

 

Wie viele andere japanische Filmemacher hat sich auch Sono Sion in seinem Schaffen der letzten fünf Jahre fast obsessiv mit Fukushima beschäftigt: der Verwüstung weiter Teile seiner Heimat im Jahre 2011 durch eine Naturkatastrophe, welche sich zu einer Atomkatastrophe ausweitete. Öd liegen die Landstriche da, verwaist sind ganze Kleinstädte. Und dennoch leben auch dort wieder - oder immer noch — Menschen: die einen, weil sie nicht Abschied nehmen wollen von der geliebten Heimat, die anderen, weil sich die Regierung wenig um ihre Nöte schert, und längst nicht alles tut, um ihnen zu helfen. Sie warten auf eine Hilfe, von der man ahnt, dass sie wahrscheinlich nie kommt. 

 

Mit diesen Menschen und für diese Menschen drehte Sono »The Whispering Star«, eine Eigenproduktion, realisiert mit kleinem Geld, einer gigantischen Fantasie, einer noch größeren gestalterischen Eleganz, Klarheit, Selbstverständlichkeit und einem Herz groß wie der -Kosmos. Ihnen, den Bewohnern Fukushimas, werden die Pakete gebracht; und auch die Landschaft spielt sich selbst: post-apokalyptisch und still. 

 

Das alles ist gefilmt in einem leicht surrealistisch grundierten Stil, dessen Bedächtigkeit zugleich an die erhabeneren Werke der mittel- und osteuropäischen Kino-Science Fiction der 60er und 70er Jahre erinnert als auch an eines der frühen Vorbilder Sonos: Andy Warhol. Natürlich gedreht in Schwarzweiß — Farbe scheint sich hier zu verbieten, die Realität des Leidens gebietet gestalterische Strenge, visuelle Abstraktion. Dem Genie Sonos ist zu verdanken, dass sein Film dennoch verträumt und ein wenig verspielt wirkt. Hoffnungsvoll und gütig erzählt er davon, dass es etwas Menschliches gibt, das ewig ist und von uns sterblichen Kreaturen unabhängig.

 

The Whispering Star (Hiso hiso boshi), 2015, R: Sono Sion, D: Kagurazaka Megumi, Endô Kenji, Ikeda Yûto, 100 Min. Start: 26.5.