Nostalgie und Schüchternheit

Mit »Good Luck and Do Your Best« hat Gold Panda das Metropolenleben Berlins gegen eine WG mit seiner Oma in Essex eingetauscht

Schüchterne Künstler muss man alleine schon für die Widersprüchlichkeit lieben, der sie sich bewusst aussetzen. Denn gibt es eine absurdere Wahl des Arbeitsplatzes als die Bühne, wenn man es doch bevorzugt, unerkannt zu leben? 

 

Derwin Schlecker scheint sich selbst zu fragen, was um alles in der Welt ihn in diesem Moment an dieser Ort gebracht hat. Wir schreiben das Jahr 2010 und befinden uns in Austin, Texas. Es muss gerade etwa ein Uhr nachts sein, vielleicht ist es aber auch schon zwei oder drei Uhr, wer weiß das schon noch so genau. Schließlich tobt um uns herum eine jener wilden Partys, für die das SXSW-Festival, das alljährliche Schaulaufen der amerikanischen Musikindustrie in der texanischen Studentenmetropole, bekannt ist. 

 

Seit einigen Minuten soll Schlecker, der unter seinem künstlerischen Alias Gold Panda zu den heißgehandeltsten Acts des Festivals gehört, eigentlich auf der Bühne stehen, ungeduldig erwartet. Doch er sträubt sich. Wir sind uns zwar erst ein paar Minuten vorher vorgestellt worden, aber als Ablenkungsgesprächspartner komme ich trotzdem sehr recht. Die aufbauenden Worte fallen mir nicht schwer, das bereits zirkulierende Debüt-Album »Lucky Shiner« hat mich wie Liebe auf den ersten Blick erwischt mit seiner so unwahrscheinlichen Fusion aus experimentellen Frequenzforschungen und einfühlsamen elek-tronischen Popsongs. Ob es meine Worte sind oder der innere Schweinehund, irgendwann überwindet sich Schlecker schließlich und geht auf die Bühne. Es wird ein hervorra-gender Auftritt, gerade wegen der Schüchternheit, mit der er ihn hinter den Boxen versteckt absolviert. Dass er selbst anschließend resigniert von einem Debakel spricht, geschenkt. Realität und künstlerische Selbstwahrnehmung befinden sich eben nicht immer auf Augenhöhe. 

 

Seit damals sind nicht nur sechs Jahre vergangen und mit »Half Of Where You Live« 2013 ein weiteres Gold-Panda-Album erschienen, Schlecker ist mit seiner Musik zu-dem mehrmals um die Welt getourt. Dem introvertierten Charakter seines Auftretens als Gold Panda hat dies aber keinen Abbruch getan. Im Clip zur ersten Singleauskopplung des neuen Albums »Good Luck and Do Your Best« darf man ihn zwar dabei beobachten, wie er im Homestudio Musik produziert, ein Essen zubereitet und, passend zum Songtitel »In My Car«, eine ältere Damen im Auto rumkutschiert, aber bei aller Alltagstransparenz schwingt doch immerzu diese sympathische Unsicherheit darüber mit, ob das jetzt wirklich jemand interessiert.

 

»Good Luck and Do Your Best« klingt wie aus einem chinesischen Glückskeks gezogen — was den Titel angeht. Seinen Ursprung hat es jedoch in Japan, dem Land, an das Schlecker vor vielen Jahren während des Studiums der Japanologie sein Herz verloren hat und wo er sich immer wieder hin zurückzieht, um an Musik zu arbeiten. Diesmal hat er dort eine ganze Samplebank an Sounds generiert und sie dann doch nicht für das Album benutzt. Stattdessen hörte er sich in einer Art nostalgischen Reflektion, wie er das nennt, durch die HipHop- und Elektronikplatten seiner Teenagerjahre und glich sie mit seinem aktuellen Selbstverständnis als Gold Panda ab. Kein neuer Ansatz für Schlecker, schließlich trug das Vorgängeralbum »Half of Where You Live« seine Reise um die Welt nicht nur im Titel, sondern spiegelte jeder Song über Field Recordings die Stationen wieder, an die es ihn durch seine Musik verschlagen hatte. 

 

Dieser Verfahrensweise ist Schlecker für »Good Luck and Do Your Best« treu geblieben. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Songs diesmal eben nicht in Japan, Amerika oder Argentinien ihren Ur-sprung gefunden haben, sondern in Essex, England. Womit wir wieder mitten in jenem vorher angesprochenen Videoclip zum Song »In My Car« wären, denn dieser ist keineswegs inszeniert, sondern dokumentiert das Leben von Schlecker im Haus seiner aus Indien stammenden Großmutter. Als er vor zwei Jahren beschloss, Berlin hinter sich zu lassen, zog er nämlich tatsächlich bei seiner Oma ein. Sie habe ein Zimmer frei gehabt, erklärt er zunächst lapidar, und ergänzt dann, wie schön es sich angefühlt habe, zumal man ja auch nie wisse, wie lange man sich noch habe und die gemeinsame Zeit genießen müsse. 

 

Insofern wundert es auch nicht, dass Nostalgie das Leitmotiv des Albums ist. Es klingt wie die Ver-to-nung eines alten Urlaubsfotobuchs. Die Songs, die Titel wie »Autum Fall«, »Time Eater« und »Your Good Times Are Just Beginning« tragen, schälen sich, einer nach dem anderen, aus den von Schlecker gesammelten Soundloops heraus und erzählen einem übersprudelnd ihre Geschichten in warmen Klangfarben und voller Euphorie.

 

Wenn Schlecker anmerkt, davon fasziniert zu sein, dass die Leute seine Musik mögen, dann will man ihn schütteln und im Umkehrschluss fragen: Wie sollte es auch anders sein? Aber das mache ich natürlich nicht. Denn es ist die — glücklicherweise wohl nie aus ihm weichende — Bescheidenheit, die ihn das sagen lässt. Und wie sieht es heute mit der Bühnenangst aus? »Damals hatte ich sehr wenig Selbstvertrauen«, erinnert sich Schlecker an die Anfangstage von Gold Panda. »Aber jetzt, durch all die Musik, die ich produziert und aufgeführt habe, sage ich mir zumindest: Was soll schon passieren? Wenn alles schiefgeht, widme ich mich eben einem anderen meiner Hobbys und schreibe vielleicht ein Buch.« 

 

Tonträger: Gold Panda, »Good Luck and Do Your Best« (City Slang/Universal Music)