Avantgarde aus dem Hinterhof

Konono No.1 spielen den Postpunk Kongos, jetzt haben sie sich mit Batida zusammengetan

 

Auf der Leinwand sieht man Bananen und Fische, davor sitzt der Elek--tronikproduzent Batida auf der Büh-ne und probiert einen Echo-Effekt. Menga Waku von Konono No.1 drückt Knöpfe auf einem Midi-Controller, jeder Knopfdruck lässt einen schweren Bass aus den Boxen dröhnen — ein Dub-Jam, geboren aus der Nervosität. Es ist Ende April, ein Freitagnachmittag, und in we-ni-gen Stunden werden die Musiker erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen, es ist die Konzertfassung eines Experiments, das es schon als Album gibt: »Konono No.1 meets Batida«. 

 

»Wir waren am Ende einer langen Tour und haben das Album in Batidas Garage in Lissabon aufgenommen«, erzählt Augustin Mi--wien-gi, der Bandleader von Kono--no No.1. Auch ihr viertes Album ist vom Sound der Likembe be-herrscht, ein Holzbrett, auf dem verschieden lange Metallstäbe montiert sind, die man mit den Daumen spielt und hierzulande auch als Daumenklavier firmiert. Vor fünfzig Jahren hat Augustins Vater Mingiedi Ma--wangu Konono No.1 ins Leben ge-rufen. Um mit seinem Ensemble gegen den Lärm in Kongos Hauptstadt anzukommen, hat Mawangu Miwiengi die Likembes an selbst-gebaute Verstärker angeschlossen. »Alle Einzelteile stammen aus Autos«, erklärt Augustin Mawangu, der nach dem Tod seines Vaters im Juni letzten Jahres dafür zuständig ist, die Verstärker zu warten. Es ist das selbstgebaute Equipment, das den Sound von Konono No1 ausmacht. Der Nachhall von Konono hat ebensoviel mit den Noisekas-kaden von Post-Punk-Bands aus London und New York gemeinsam wie mit traditioneller kongolesischer Musik.

 

Seit ihrem Debütalbum »Congo-tronics« (2004) zählen sie Björk und Simpsons-Schöpfer Matt Groening zu ihren Fans und spielen auf Festivals für experimentelle Popmusik zwischen Japan und den USA. In ihrer Heimat Kinshasa merken Konono No.1 wenig von ihrem weltweiten Ruhm. »Der Markt dort ist vollkommen anders«, erklärt ihr Manager Michel Winter. »In Kinshasa spielen Konono No.1 auf Familienfeiern, Hochzeiten oder Beerdigungen.« Die Musik von Konono No.1 ist mit der Volksgruppe der Bakongo identifiziert, die an der Mündung des Kongo die Grenz-region zu Angola bewohnt. 

 

»Ich nehme Konono No.1 als urbane Band wahr«, meint Batida. »Ihre Musik ist das, was entsteht, wenn sich die Stadt in die traditionelle Musik des Kongo einschreibt.« Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwi-schen der Band aus dem Kongo und dem in Angola geborenen DJ und Produzenten, der heute in Lissabon lebt. Beide interessieren sich für die Pop- und Folktraditionen ihrer Heimatsprachen, aber wissen, dass sich diese verändern müssen, um ge-hört zu werden. Batida arbeitet mit den Mitteln des Musiknerds: Auf bislang zwei Alben diggt er sich durch die lusophone Popgeschichte. 

 

»Konono No.1 meets Batida« ist keines dieser Alben, auf denen sich ein westlicher Musiker mit einer Feder afrikanischer Authentizität schmückt, sondern eine postkoloniale, musikalische Neuvermessung der Grenzregion zwischen dem Kongo und Angola. Gemeinsam schälen Konono No.1 und Batida die Rhythmen dieser Region heraus — gleichgültig, ob diese per Software oder mit unverstärkter Percussion gespielt werden. »Im angolanischen Kuduro findet man viele Elemente kongolesischer Musikstile wie dem Soukous oder Ndombolo«, sagt Batida. »Wir haben das Album wie auf einem Konzert aufgenommen«, ergänzt Augustin Miewengi. Geholfen hat ihnen dabei ein elek-tronisches Schlagzeug, das Vincent Visi, der Drummer und Percussionist von Konono No.1, während der Aufnahmen gespielt hat. Auch auf »Konono No.1 meets Batida« steht immer noch der hochtönende, verzerrte Sound der Likembe und ihrer polyrythmischen Verwendung im Vordergrund, denen Batida Bass-läufe und Drumloops hinzufügt.

 

Konzerte von Konono No.1 sind eine körperliche Erfahrung in der Nähe zur Trance. Selbst auf den besten Konzertanlagen spielen Konono No.1 so, als müssten sie immer noch gegen den Straßenlärm Kinshasas anspielen — präzise und laut zugleich. Beim ersten gemeinsamen Konzert mit Batida im französischen La Rochelle hält eine neue Subtilität Einzug in den Sound von Konono. Der offen ausgestellte Hang zum Perfektionismus steht der Band gut. Auf der Leinwand werden Bananen und Fische projiziert, während ein alter 909-Drumcomputer einen synkopischen Rhythmus spielt und die Mitglieder von Konono No.1 in den A-Cappella-Gesang von »Bon Diam« einstimmen. »Das Stück handelt von der Wirtschaftskrise«, berichtet Augustin Miewengi. »Unser Manager und unser Label beschweren sich immer, wie schwierig das Geschäft geworden ist. Im Song verkaufen sie also Bananen und Fische, während wir weiter auf Tour sind.« Trotz der politisch volatilen Situation in ihrem Heimatland sind Konono No.1 keine politische Band: Sie erzählen in Parabeln vom Auf und Ab des Lebens und schmücken ihre auf Lingala vorgetragenen Geschichten mit den Metaphern des Alltags.

 

Anders Batida — er unterstützte 2011 die Proteste gegen Angolas Alleinherrscher José Eduardo dos Santos. Während des Stücks »Nzonzing Família« trägt er eine Maske mit dem Gesicht des angolanischen Rappers Ikonoklasta, der im März dieses Jahres zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil an einem Lesekreis teilgenommen hat, der ein Buch über zivilen Ungehorsam durchackerte. Zu »Nzonzing Família« spielen Konono No.1 routiniert ihre Likembe-Patterns im Hintergrund, die grenzüberschreitende Geschichte des Produzenten aus Lissabon und der erfahrenen Band aus dem Kongo entfaltet sich. Mit »Konono No.1 meets Batida« sind sie der Authentizitätsfalle entkommen, die die Musikindustrie für sie bereithält: dem Platz der Neo-Primitiven, die eine europäische Tradition experimenteller Popmusik wiederbeleben. Stattdessen erzählen sie konsequent ihre eigene Geschichte.

 

Tonträger: »Konono No.1 meets Batida« (Crammed/Indigo) ist bereits erschienen.