EM nach altem römischen Ritus

materialien zur Meinungsbildung /// folge 173

Gesellige Fußballabende im Freundeskreis — wohl dem, an dem diese Plage in den kommenden Wochen vorbeizieht. Es ist doch so: Der gemeinsame Abend vor einem TV-Gerät, auf dem ein Fußballspiel gezeigt wird, darf nie »gesellig« sein. Dieses zwielichtige Party- und Freizeitformat sollte eher einem Gottesdienst gleichen. Fun hat da nix zu suchen! Nicht, weil den Fußballspielern mit Schweigen Respekt bekundet gehörte, sondern weil ich nichts verstehe, wenn ich nicht erklärt bekomme, was da eigentlich passiert. Ich werde immer abgelenkt, weil irgendwer »Drei Ecken — ein Elfer!« ruft oder Poldis Tätowierungen diskutieren will.

 

Ich bekenne, dass meine Ansichten strikt sind. Gesine Stabroth behauptet, sie seien sogar »autoritär und menschenverachtend« — nur weil ich auch den Verzehr allzu laut knuspernden Salzgebäcks brandmarke. Leider habe ich nie Hausrecht. Mein TV-Gerät entspricht nicht den Anforderungen, die vergnügungssüchtige EM-Party-Gäste meinen, stellen zu dürfen. Keine Subwoofer? Weniger als 55 Zoll? Size matters. Da brauche ich mich gar nicht erst als Austragungsort bei Tobse Bongartz’ EM-Party-Organisationskomitee bewerben! Als Gast aber muss ich das Laissez-faire andernorts hinnehmen. Mir aber erschiene eine Atmosphäre wie in der katholischen Liturgie nach altem römischen Ritus angemessen: Man muss nicht kapieren, was da vorn passiert! Man muss nur die Klappe halten!

 

Ich verlange freilich auch, dass nicht nur vor dem Fernseher Disziplin herrsche, sondern auch im Fernseher. Dort liegt etwas im Argen: Als fußballerische Autorität, maßgebend in allen Zweifelsfällen, taugen Fußballkommentatoren nicht! Es sind allesamt Halunken! Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass die Wörter »Journalismus« und »Sportjournalismus« ähnlich klingen. Sportjournalismus ist das Gegenteil von Journalismus! Es ist geradezu der fortlaufende Verstoß gegen journalistischen Standards (»Wie fühlt sich das an, in der letzten Minute noch den Ausgleich zu kassieren?«). Die Fragetechnik, die in Interviews mit Fußballern eingesetzt wird, hätte heute noch auf jeder Journalistenschule Schläge mit dem Rohrstock zur Folge. Übertragen auf andere Ressorts, bedeutete dies, dass minderjährige Justin-Biber-Fans für ein Fachpublikum die Donau-eschinger Musiktage rezensierten. Ich bin immer dafür, den offenkundig Untalentierten eine Chance zu geben, aber nicht jahrelang und schon gar nicht finanziert mit meinen TV-Gebühren — quasi als finanzielles Trostpflaster dafür, dass die Herren Fußballkommentatoren ihren Beruf verfehlt haben. 

 

Einen weiteren Tatbestand stellt dar, dass Fußballkommentatoren das berichten, was ohnehin jeder sieht. Daher hört es sich an, als wäre am TV-Gerät die Funktion »Audio für Sehgeschädigte« aktiviert. Kippt ein Spieler um, weil ein anderer ihn schubst, spricht der Kommentator: »Da wird Odremski von Lummsen geschubst« Also, das kann ich auch »analysieren«, wenn mir jemand zur Seite sitzt, der den Spickzettel reicht, auf dem Rückennummern und Spielernamen zugeordnet sind.

 

Ein gängiger Trick der Kommentatoren, vorzeitig die Arbeit einzustellen, ist es zudem, mitten im Spiel in immer neuen Anläufe »ein Resümee zu ziehen«. Unser Kommentator verliest dann nur noch Statistiken oder prophezeit: »Es wird schwer sein, in den verbleibenden 30 Minuten diesen 0:8-Rückstand aufzuholen«. 

 

Da hat unser fauler Kommentator aber sowieso schon längst die Lust verloren. Kaum war ein Viertelstündchen rum, moserte er ja schon: »Wir haben bislang noch nicht das Niveau erlebt, das man hätte erwarten können.« Gleiches gilt ja wohl für die Arbeit des -Kommentators!