Zusammengestanden

KOMMENTAR. Die Proteste gegen die AfD bei Birlikte verhindern die Inszenierung der Partei. Damit folgen sie einer guten Kölner Tradition.

An jedem anderem Tag im Jahr wäre Köln stolz darauf gewesen, was am Sonntag auf dem Birlikte-Festival passiert ist. Wenn Nazis oder Rechtspopulisten ihre Parolen verbreiten wollen, finden sich eine Reihe von Demonstranten zusammen, die finden, dass Meinungsfreiheit auch die Freiheit zur lauten Gegenmeinung ist. So war es beim Anti-Islamisierungskongress 2008, bei der Hogesa-Demo 2015 und auch bei den vielen kläglichen Versuchen, in Köln einen Ableger von Pegida zu etablieren.

 

Auch die AfD bleibt von Gegenprotesten nicht verschont. Als die Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch letztes Jahr in der Jugendherberge Deutz einen Vortrag gegen "Gender Mainstreaming" halten wollte, wiesen  LGBTI-Aktivist*innen die DJH auf die Veranstaltung hin. Die Jugendherberge stellte daraufhin die Räume nicht mehr zur Verfügung – so wie es ihr gutes Recht ist.

 

Das Schauspiel Köln machte von seinem Hausrecht auf andere Weise Gebrauch. Es lud gemeinsam mit dem WDR für das Birlikte-Festival den AfD-Mitbegründer Konrad Adam ein. Adam spielt zwar mittlerweile in der Partei nur eine untergeordnete Rolle, verfügt aber über seine publizistische Tätigkeit in der rechtskonservativen Jungen Freiheit weiter über Einfluss im AfD-Milieu. Am Sonntag hätte er mit der Migrationsforscherin Naika Fouroutan im Depot diskutieren sollen – zumindest bis 100 Menschen die Bühne besetzten und die Veranstaltung so verhinderten.

 

Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann nennt die Proteste  "Meinungsterror". Peter Pauls, der Chefredakteur des Birlikte Medien-Partners Kölner Stadt-Anzeiger, sieht gleich den Geist von Birlikte "im Lärm des Gegröles und der Trillerpfeifen" untergehen. Und der WDR ist sich nicht zu schade, für seine Berichterstattung in eigener Sache zwei jüdische Birlikte-Besucher zu instrumentalisieren. Alle drei haben gemeinsam, dass sie ernsthaft annehmen, nur in der persönlichen Auseinandersetzung könne man den Rechtspopulisten als solchen entlarven.

 

Konrad Adam hat einen Wikipedia-Eintrag, im Januar haben die Kollegen von der ZEIT ein langes Porträt veröffentlicht. Auch der Soziologe Andreas Kemper dokumentiert auf seinem Blog die Weltanschauung Adams immer wieder. Dort erfährt man etwa, dass Adam im Januar 2006 einen Text in der Welt publizierte, in dem er suggerierte, dass Menschen, die von staatlichen Zuwendungen abhängig sind - Hartz-IV-Bezieher oder Beamte etwa – das Wahlrecht entzogen werden sollte. Man kann nur vermuten, ob diese Tatsache am Sonntag bei der Podiumsdiskussion zur Sprache gekommen wäre. Angewiesen wäre man darauf aber nicht - eine einfache Google-Suche hilft weiter.

 

Die fixe Idee, selbst erklärte Rechtskonservative live vor Publikum als Rechtskonservative zu entlarven, nutzt nur der AfD. Es ist Teil ihrer Inszenierung, sich als verfolgte, tabuisierte Mehrheit darzustellen, auch wenn ihre Medienpräsenz in den letzten Monaten unverhältnismäßig groß gewesen ist. Nichts anderes als diese Inszenierung haben die Demonstranten im Schauspiel am Sonntag verhindert. Damit haben sie fortgesetzt, worauf man in Köln normalerweise stolz ist: antidemokratischem Denken keine Bühne zu bieten.