Die große Unbekannte: Chan Marshall

Cat Power

Songwriterin Cat Power hat eine Immunkrankheit und eine Pleite hinter sich gelassen. Heute ist ihr Indietronica-Sound aufgehellt und hoffnungsfroh

»Sie ist eine Exhibitionistin und eine pathologisch schüchterne Person«, sagt Elizabeth Goodman. In ihrer Biographie »A Good Woman« kommt Goodman zu dem Schluss: je mehr man über Cat Power erfahre, desto weniger wüsste man über sie. Chan Marshall, die sich nach einem Slogan eines bekannten Baumaschinen-Herstellers benannt hat, fand zu Beginn der 90er Jahre durch Steve Shelley (Sonic Youth) Anschluss an die New Yorker Indieszene, mit ihm produzierte sie ihre ersten drei Alben. 1996 feierte sie mit »Nude as the news« ihren ersten Underground-Hit, der autobiographische Text zeugte von Marshalls Unerschrockenheit. Das Stück verarbeitet eine Abtreibung, die sie mit Anfang 20 hatte.

 

 

Der Erfolg, der sich mit dem Album »Moon Pix« (1998) einstellte, wirkte wie ein Verstärker in mehrfacher, auch problematischer Hinsicht: chronisches Lampenfieber und Alkohol- und Drogenmissbrauch führten zu Zusammenbrüchen auf der Bühne. Künstlerische Zuflucht fand sie schließlich bei ihren Vorbildern Joni Mitchell, Patti Smith und Janis Joplin, ihr 2006er-Durchbruch-Album »The Greatest« orientierte sich in Richtung Süden und grundierte ihre Hyperauthentizität mit Soul und Rhythm‘n‘Blues.

 

 

Marshall hat viel selbst dafür getan, den Mythos einer fragilen, selbstzerstörerischen Frau entstehen zu lassen. Vor ein paar Jahren kam die desaströse Diagnose eines Angioödems hinzu, eine Immunkrankheit, die zum Erstickungstod führen kann. Und sie stand kurz vor der Privatinsolvenz. Um ihr letztes Album »Sun« (2012) zu produzieren, musste sie dem Vernehmen nach ihre Altersvorsorge plündern. Doch Marshall lebt, letztes Jahr ist sie sogar Mutter geworden. Auf »Sun« benutzte sie erstmals elektronische Elemente, French-Touch-Protagonist Philippe Zdar von Cassius produzierte das Album. Der aufgehellte, ja hoffnungsfrohe Indietronica-Sound steht ihr gut. Mythen gründen meist auf Selbstaufgabe. 

 

 

Das höhere Gut, für das man sich hingibt, ist im Pop das Leben selbst: das intensive, kompromisslos gelebte Leben, »live fast, love hard, die young«. Chan Marshall hat sich von diesem Mythos verabschiedet. Wie singt sie in dem Stück »Nothin But Time« im Duett mit Iggy Pop so schön: »You want to live — I want live«.

 

 

StadtRevue präsentiert

 

Konzert: Mo 11.7., Gloria, 20 Uhr