Dilemma der Abgrenzung

Wie nur soll man umgehen mit der AfD? Die Diskussion um den verhinderten ­Auftritt von Konrad Adam auf dem Birlikte-Festival lässt erahnen, was uns in den folgenden Wahlkämpfen erwartet

Claus Leggewie hatte nicht das letzte Wort. Der Politologe stand am 5. Juni auf der Bühne des Schauspielhauses und mahnte: »Bitte geben Sie Konrad Adam nicht eine Bedeutung, die er gar nicht hat«. Kurz darauf stürmten 100 Menschen die Bühne und verhinderten damit einen Auftritt des AfD-Mitbegründers und Publizisten Konrad Adam auf dem interkulturellen Birlikte-Fest in Mülheim. Dort hätte er mit der Soziologin Naika Foroutan diskutieren sollen. »Wer AfD-Mitglieder einlädt, schielt auf ein großes Publikum«, sagte Rainer Schmidt vom Bündnis »Köln gegen Rechts«, das an der Bühnenstürmung beteiligt war. Die Einladung Adams sei einer »Mischung aus Selbstüberschätzung, politischer Naivität und Profilierungsbedürfnis« geschuldet.

 

Am gleichen Abend postete die AfD auf Facebook ein Bild von Konrad Adam mit Mitgliedern des Kölner Kreisverbands in der Kneipe und beklagte das »geistig verklemm--te Meinungsklima« in der Stadt. Teile der Kölner Öffentlichkeit waren der gleichen Meinung. Schauspielintendant Stefan Bachmann nannte die Bühnenbesetzung eine »Form von Meinungsdiktatur«. Markus Schwering, Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bescheinigte den Demons-tranten, dass sie eine »Sekte Ewig-Gestriger« seien, bei der ein »nicht unerhebliches Potenzial an je nach dem (sic) auch gewaltbereiter demokratiefeindlicher Intoleranz« lauere. In der migrantischen Community war die Debatte differenzierter. Die Initiative »Keupstraße ist überall«, in der NSU-Opfer und ihre Unterstützer organisiert sind, hatte den Auftritt Adams schon im Vorfeld kritisiert: »Eine große Anzahl von Betroffenen hat das Gefühl, instrumentalisiert zu werden«. Meral Sahin, die Vorsitzende der IG Keupstraße, wollte dagegen mit Konrad Adam »von Angesicht zu Angesicht« diskutieren: »Ich hätte gerne von ihm gewusst, in welcher Form ich störe.« Es sei richtig gewesen, die Debatte als eine WDR-Liveübertragung bei Birlikte zu führen, um auch die-jenigen zu erreichen, die vielleicht gar nicht merken würden, dass sie rassistisch denken. Die Soziologin und verhinderte Podiumsteilnehmerin Naika Foroutan verteidigte die Bühnenblockade zehn Tage danach im Kölner Stadt-Anzeiger. »Die menschenverachtenden Positionen der AfD erscheinen als immer weniger radikal«, schreibt sie in einem Gastkommentar. Der Protest auf dem Birlikte-Festival sei ein »Ausdruck der Verweigerung gegenüber diesem schleichenden Prozess.« 

 

Die Diskussion um den Auftritt von Konrad Adam bei Birlikte ist eine Blaupause für die kommenden Wahlkämpfe. Im Mai 2017 wird der NRW-Landtag gewählt, im darauffolgenden Herbst der Bundestag. Parteien und Initia-tiven fragen sich angesichts steigender Zustimmung für die AfD, wie sie mit der Partei umgehen sollen. »Es gibt bislang noch keine klaren Strategien für den Umgang mit der AfD«, erklärt Alexander Häusler, der an der FH Düsseldorf über Rechts-populismus und Rechtsextremismus forscht. »Ignorieren und Dämonisieren hat beides nicht funktioniert.« Die AfD sei eine völkisch-nationalistische Rechte, die im bürgerlich-populistischen Gewand auftrete. »Es ist wichtig, politisch konfrontativ gegenüber der AfD aufzutreten, und nicht dialogisch«, findet Häusler. Die Rechtspopulisten hätten an einem Dialog kein Interesse, sondern würden ihn zur Selbst-darstellung nutzen. Mit der AfD zu reden, ist in der bürgerlichen Öffentlichkeit im Moment die bevorzugte Form der Auseinandersetzung. Ihre Präsenz in Talkshows ist hoch, auch abwegige Äußerungen der AfD-Spitzen werden kommentiert. Ein Grund dafür ist, dass viele AfD-Politiker einem bildungsbürgerlichen Milieu entstammen. Sie sind Anwälte oder Ökonomen und müssen das politische Engagement nicht zur persönlichen Bereicherung nutzen, wie dies etwa Pro Köln getan hat. 

 

Aber auch die klassischen Antifa-Taktiken des Protests gegen Parteiveranstaltungen verfangen bei den neuen Rechts-populisten nicht. »Die AfD hat eine öffentliche Mobi-lisierung auf der Straße nicht nötig«, erklärt Hans-Peter Killguss von der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum. Sie versuche viel-mehr, Interessenten gleich in das Gefüge der Partei einzuführen, etwa bei Stammtischen oder Wandertagen des Jugend-verbands Junge Alternative. Trotzdem beobachtet er einen stärkeren Einfluss von AfD-Argumentionsweisen gerade auf Jugendliche. »Bei unseren Workshops sagen die Jugendlichen häufig, dass Angela Merkel alleine dafür verantwortlich sei, dass jetzt so viele Flüchtlinge kommen.« In den Workshops, die das NS-Dok und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) an Schulen ausrichten, stehen daher auch zuerst rechtspopulistische Argumentions-weisen im Vordergrund und nicht die Auseindersetzung mit politischen Gruppierungen. »Wir wollen, dass dort frei gesprochen wird«, sagt Patrick Fels von der MBR, und Hans-Peter Killguss ergänzt: »Wir unterscheiden, ob ein Parteifunktionär etwas sagt oder ein Jugendlicher.« Für Killguss ist der »soziale Nahbereich« von Eltern, Freunden oder Ver-wandten entscheidend für die politische Meinungsbildung. »Für Jugendliche muss eine Quelle zuerst glaubwürdig sein, das sind Politiker nicht unbedingt.« Trotzdem sei es wichtig, auch in den kommenden Wahlkämpfen mit der AfD zu diskutieren. »Die Politiker dürfen sich nicht von der AfD treiben lassen. Sie müssen erklären, dass die AfD eine rassistische Partei ist und dass sie für etwas anderes stehen.«

 

In Köln tut sich die Politik bislang schwer damit. Im Mai dieses Jahres griff die SPD im Rat Henriette Reker an, weil die Stadt Köln trotz sinkender Flüchtlingszahlen weiter städtische Turnhallen als Unterkunft nutzt und erhielt dafür Unterstützung von der AfD und Pro Köln. »Man kann nicht verhindern, dass rechte Kräfte auf den Zug aufspringen«, findet Alexander Häusler. »Aber man kann antizipierend argumentieren, indem man darauf hinweist, wie Defizite im sozialen Wohnungsbau zur Unterkunftsproblematik beigetragen haben.« Anstatt auf Argumente setzen die Kölner Politiker bislang jedoch auf Abgrenzungsgesten. Im Juli 2014 hat der Rat mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der die Zusammenarbeit mit Rechtsex-tremen und Rechtspopulisten abgelehnt wird. Mit ihnen dürfe »weder eine Personalentscheidung noch jegliche inhaltliche Forderung durchgesetzt werden«, heißt es dort. 

 

Die Resolution ist eine Reaktion auf den Porzer Bezirksbürgermeister Henk van Benthem (CDU), der sich wenige Tage zuvor mit den Stimmen von AfD und Pro Köln hatte wählen lassen. In der Praxis ist die Abgrenzung aber schwer umzusetzen. Mitte Mai stimmten SPD, Deine Freunde und Linke dafür, die Planungen zum Umbau des Niehler Gürtels öffentlich zu machen. Mit den Stimmen von AfD und Pro Köln wurde der Antrag gegen die Stimmen von Grünen und CDU angenommen. »Wir haben damit nicht kalkuliert«, sagt Jörg Detjen (Linke). Da es aber um ein Abstimmungsergebnis und nicht um eine Personal-entscheidung gegangen sei, könne man davon nicht zurücktreten. Pro Köln feierte sich derweil als »entscheidende Kraft« und zeigt damit das Dilemma auf, in das eine Abgrenzungsstrategie führen kann: Auch eine Verschiebung der Abstimmung hätte die Wichtigkeit der rechten Stimmen anerkannt, die Abgrenzung bestärkt zudem die Opferhaltung der Rechtspopulisten. »Die Opferhaltung kann ich nicht beeinflussen. In diesem Dilemma ist es wichtiger, die Rechten nicht zu Entscheidern werden zu lassen«, findet Kirsten Jahn (Grüne). Hans-Peter Killguss weist noch auf ein anderes Problem hin. »Im Moment kommt es mir so vor, als würden viele Parteien das ›Böse‹ nach außen verlagern. Dadurch, dass die AfD rassistisch ist, versichern sich die anderen Parteien, dass ihre Politik frei von Rassismen wäre.«