Janosch für Erwachsene

Zach Condon frönt mit seiner Band »Beirut« spätkindlicher Musikromantik

Zerknittertes Jackett, das ungebügelte Hemd über der Hose, strubelige Haare, bisschen unrasiert und verschlafen, aber den Kopf vollgepumpt mit musikalischem Wissen aus aller Welt. Aber der Umgang damit erfolgt, bitteschön, unaufdringlich und wohldosiert, kein Zurschaustellen, keine angestrengte (und für alle anstrengende) Dauerbeschäftigung. Volia, das ist kein Hipster, kein Nerd, deren Erscheinungsbild längst überstrapaziert ist, es ist der Globetrotter. Ein amerikanischer Gast, der mit dem Interrail-Pass durch ganz Europa gondelt und sich seine Notizen noch ins Moleskin-Büchlein kritzelt und nicht auf einem Smartfon rumwischt. Ein wenig verschwitzt, unser Gast ist schon länger unterwegs, aber doch behänd. Einer, der nachfragt und zuhört und doch ziemlich geradlinig seiner Agenda folgt.

 

Dieser Glbobetrotter ist Zach Condon aus Santa Fe, schon 30 Jahre alt (weil er seit über zehn Jahren mit seinem Beirut-Projekt alles abräumt), erst 30 Jahre alt (weil seine Musik klingt, als hätte er sie schon vor fünfzig Jahren gespielt — damals als Van Dyke Parks ein paar Songs für das Studentenorchester der Universität Belgrad arrangierte, nicht wahr?). Er ist wahnsinnig beliebt, jetzt spielt er im Palladium vor 5000 Leuten, seine Tour ist groß aufgezogen.

 


Er ist einer dieser sympathisch oberschlauen amerikanischen Indiekids.  2005 hat er angefangen, seinem amerikanischen Publikum südosteuropäische Musik zu erklären (bayerische Blaskappelen gehören für ihn bereits dazu). Richtig: zu erklären. Denn mit seinem leicht distanzierten, melancholisch steifen Gesang verzichtet er aufs theatralische Rumgehampel, auf die notorisch klischeegesättigte Balkan-Express-Party und tritt emotional merkwürdig abgerüstet vor sein Publikum. Und weil das so eine (Achtung, Klischee!) alteuropäische Attitüde ist, liebt ihn das Publikum auch hierzulande. 

 

Beirut ist, wie Kollege Wilberg kürzlich meinte, Janosch für Er--wachsene. Musik wie in Butter geschwenkte Bratkartoffeln, zu denen es gedünstete Pastinaken und Gurkensalat aus dem eigenen Garten gibt. Unprätentiöse Romantik. Condons Musik und seine damit auf engste verbundene Attitüde erfüllen eine in der aktuellen Popkultur dringend benötigte Entlastungsfunktion. Sie repräsentiert nicht länger die Hölle der Bescheidwissens, in der alles entweder langweilig (weil angeblich längt bekannt) oder aber unfassbar neu und visionär und post-irgendwas ist. Bei Beirut kann jeder mitreden, so wie jeder auch bei Grönemeyer sofort mitreden kann. Dennoch ist Condons Musik maximal verfeinert, man darf davon ausgehen, dass er sich keinem Gefühl, keiner Melodie einfach so hingibt, sondern sie solange schleift, bis sie in einen Song passt, der nach montegrinischer Küste, nach einem Loft in Brooklyn und einem gelungenen Abend in einer Kölner Mehrzweckhalle klingt.

 

Serlbstverständlich gehört es sich für ihn, dass er eine musikalische Fixierung auf Europas Südosten ablehnt. Die Welt ist groß und mit Interrail kommt man weit rum. Er verlor sein Herz im Prenzlauerberg, bestaunte die Filmkulissen in Bratislava, sammelte alte Chanson-Singles in Belleville und kehrte mit field recordings aus der mexikanischen Provinz Oaxaca zurück. Er hat, wie gesagt, etwas vom Arrangier-Talent eines Van Dyke Parks’, bringt es allerdings unaufgeregter zur Geltung. Wichtig aber: Unterm Strich kommt immer Zach Condon raus. Es sind die immer gleichen Geschichten von Nähe und Distanz, Verlust und Wiederfinden. Ein bisschen ist es so, als müsste Condon beständig vor den eigenen Klischees flüchten, um sie am Ende alle zu bestätigen. Selbst wenn er sich, wie auf einigen Synthie- und Elektropo-Ausflügen, sehr weit zu entfernen scheint: Natürlich hat er seinen Trademark-Sound und ist sein Image längst definiert.

 

Muss das ein Nachteil sein? Durch die Straßen und über die Felder läuft ein Mann, den alle kennen, zumindest haben alle von ihm gehört, bald wir er auch bei ihnen vorbeikommen. Es ist der Mann, der auf den Punkt zuläuft, an dem sich Erde und Himmel berühren und der Horizont genannt wird, es muss ein magischer Ort sein. Der Mann wird diesen Ort nie erreichen. Aber er wird unterwegs viele Bekanntschaften schließen und mehr erleben als die, die schon vorher wissen, dass sich Erde und Himmels niemals berühren werden. Zach Condon sieht sich in dieser Rolle. Und weil wir sie insgeheim auch gerne spielen würden, bewundern und bejubeln wir ihn für seine Ausdauer.