Musik aus dem Netz

Plastic Angel of the Month

 

Ist das Albumformat in unserer digital zerkleinerten Musikwelt eigentlich noch sinnvoll? »Nö« hat sich wohl dieses Kollektiv aus Brooklyn gedacht und veröffentlicht folgerichtig jeden Monat ein bis drei Songs via Bandcamp. Einen Zusammenhang gibt es nur durch die leicht cheesigen »plastic fantastic« Drumsounds, ansonsten mäandern die Veröffentlichungen quer durch alle Stile. Was auch an der stetig wechselnden Besetzung liegen kann. »Allison Lee« kommt als P-Funk Operette daher, »Selfish« als Teenie-Ballade und »Quiet« als genialer feministischer Double-Time Rap. Wenigstens wird es so nicht langweilig und der nächste Monat hält schon eine neue Überraschung parat. Mal sehen, wie lange das Kollektiv diesen Rhythmus durchhält.

 

 

 

Monk Turner, »God Complex«

 

Monk Turner veröffentlicht seit Jahren ausschließlich Konzeptalben und arbeitet dafür mit vielen befreundeten Musikern zusammen. Sein neuestes Album nimmt sich des griechischen Pantheons an. Schön der Reihe nach, ein Song pro Gott und Göttin. Die Musik kommt im Popgewand der 60er Jahre daher, die Texte sind durchwegs satirisch bis einfach nur albern. Hera beklagt sich »And then I got married«, Zeus tönt machtbesessen »Oh yes you will« und Hades weiß: »It‘s a wicked life«. Das könnte alles genau so einem Monthy-Python-Musical entsprungen sein, mit eindeutigem Bezug zu Andrew Lloyd Weber. Beim ersten Hören ein großer Spaß. Wie viel davon nachhaltig unterhalten kann, mag jeder selbst entscheiden. 

 

 

 

Visager, »Songs from an unmade World«

 

Wir sind ja der Meinung, dass jedes liebevoll zusammen gestellte Mix-tape mindestens einen skurillen Chiptune-Track braucht. Wer sich nicht die Mühe machen will, diese selbst von seinem C64 oder NES aufzunehmen, findet hier jede Menge kurze Tracks. Visager würde seine Tracks am liebsten als Hintergrundmusik zu neu (!) entwickelten Retrospielen verwendet wissen. Aber sie funktionieren auch wunderbar als ganzes Album. Hat man sich erst einmal in die 8-Bit Klang-ästhetik eingehört, lernt man auch die ausgefuchste Melodie und Akkordführung zu schätzen, die stets am Rande der begrenzten polyphonen Möglichkeiten der Soundchips agiert und so einen eigenen wahnwitzigen Charme entwickelt.

 

 

Svann E. Langguth, »Drei- und Vierstimmige Interventionen & Polymorphe Vivisektion«

 

In monatelanger Frickelarbeit hat Svann mehrere elektronische Klang-erzeuger (basierend auf CMOS Chips) von Hand zusammen gelötet, das Resultat dann in Plastikdosen (zum Teil Tupperware, hallo?) verpackt und mit den nach außen gelegten Kontakte systematische Klangexperimente durchgeführt. Das Ergebnis sind rohe Knister und Bratzel Geräusche, wie aus dem quantenphysikalischen Labor eines verrückten Professors. Hin und wieder holt uns aber ein dezenter Puls in unsere Zeitlinie zurück und bietet uns Halt im Brummen und Sirren. Das Doppel Album funktioniert am besten, wenn es eher ambientesk im Hintergrund mitläuft, während man sich angeregt über NSA und BND unterhält.