Zurück zum Beton

Ben Wheatleys Verfilmung von J.G. Ballards Roman »High-Rise« ist nur teilweise gelungen

Reinhard Mey hatte Unrecht: Der Mörder ist nicht immer der Gärtner, sondern der Architekt. Zumindest im Film. Man kennt das aus jedem beliebigen Krimi: Der Bösewicht wohnt in einem modernen Haus aus Stahl, Glas und Beton. Aber ist es die Architektur selbst, die Bewohner zu Monstern macht? Oder spiegelt sich in der Kühle der Gestaltung nur ihre empathielose Seele? In Bezug auf das Hochhaus, das im Mittelpunkt von J. G. Ballards Roman »High-Rise« von 1975 steht, fällt die Antwort des Autors eindeutig aus: »Ein neuer Sozial-Typus wurde von dem Apartment-Block erschaffen«, schreibt Ballard, »eine kalte, unemotionale Persönlichkeit, unempfindlich gegenüber dem psychologischen Druck, den das Hochhausleben erzeugt«.

 

Die Antwort, die der Brite Ben Wheatley in seiner Verfilmung des Buchs gibt, ist hingegen ambivalent. Wie Ballard beginnt auch Wheatley mit dem spektakulären Ende: Zufrieden sitzt der Mediziner Dr. Robert Laing auf seinem Balkon im 25. Stock und isst die Reste eines Schäferhundes. Im Haus hat offensichtlich ein Zusammenbruch jeglicher Ordnung stattgefunden, und das hat nicht nur dem Nachbarshund das Leben gekostet. Wie es zu dieser Anarchie kam, verrät die Rückblende, die den Großteil des Romans und der Verfilmung ausmacht.

 

Die Erzählhaltung ist ironisch. Mit dem kontrapunktischen, kommentierenden Einsatz von Musik erinnert das an die Filme von Stanley Kubrick. Die Montage lässt eher an Nicolas Roeg (»Wenn die Gondeln Trauer tragen«) denken. Die Tonspur ist häufig stark vorgezogen, Ereignisse werden in Montage-Sequenzen und Parallelmontagen komprimiert, die Zeitwahrnehmung durch Zeitlupen verunsichert. Die Stimmung wird dadurch traumartig und distanziert — zwei sich widersprechende Erzählregister, die aber gut zu Ballards Prosa passen.

 

Ebenfalls widersprüchlich ist die Funktion und Darstellung der Architektur. Das Hochhaus wirkt nicht bedrohlich, sondern hip und glamourös. Auch das ist bekannt aus der Filmgeschichte: Dass die Bösewichte in Glas-, Stahl- oder Betonburgen hausten, hinderte Filmemacher nie daran, die Architektur gewissermaßen als spektakulären »visuellen Effekt« auszubeuten. Man denke nur an die Bauten von Ken Adam für die Schurken der Bond-Filme. In »High-Rise« wird das allerdings zum Problem: Wheatley kann nur bedingt auf eine sinistre Kraft der Architektur bauen. Stattdessen führt er in letzter Sekunde einen sattsam bekannten Bösewicht ein, der dem ansonsten so faszinierend schillernden Film einen faden Abgang verleiht.

 

High-Rise (dto) GB 2015, R: Ben Wheatley, D: Tom Hiddleston, Sienna Miller, Jeremy Irons, 119 Min. Start: 30.6.