»Ruhm ist ein Gefängnis«

Schauspielerin, Drehbuchautorin und US-Indieliebling Greta Gerwig über ihren neuen Film Maggies Plan, ihre Liebe zu Woody Allen und New York

Sie spielen in »Maggies Plan« eine junge Frau, die eine Beziehung mit einem verheirateten Mann anfängt, ihn aber nach ein paar Jahren wieder an seine Frau zurückgeben will. Was hat Sie an dieser Maggie und ihren Plänen gereizt?

 

Ich mag Maggie, weil sie eine gewisse Reinheit des Herzens besitzt. Sie trägt die tiefe Sehnsucht in sich, ihre eigene Wahrheit zu finden und dann danach zu leben. Sie zögert nicht lange, wenn sie etwas tut, und hat eine sehr gesunde Art, sich nicht mit Schuldgefühlen zu belasten. Selbst wenn sie Fehler begeht, steht sie in direkter Verbindung zu dem, was sie ist und fühlt. Es gibt oft in unserem Leben Situationen, in denen man eigentlich genau weiß, was zu tun ist, sich aber von den Ansprüchen und Vorstellungen anderer davon abbringen lässt. Maggie hat einen ganz direkten Zugang zu sich selbst. Das ist eine sehr gute Eigenschaft.

 

In Ihren Filmfiguren scheint immer viel von Ihnen selbst zu stecken. Werden Sie oft mit ihnen verwechselt?

 

Schauspielern ist für mich ein sehr langsamer Prozess der Annäherung an eine Figur. Mit der Regisseurin Rebecca Miller habe ich fast ein Jahr gemeinsam an der Entwicklung Maggies gearbeitet. Wir machten uns Gedanken darüber, wer sie ist, was sie denkt, was sie interessiert, wie sie sich kleidet, wie sie redet — wenn ich dann vor die Kamera trete, hat sich mein Wesen mit dem der Figur vermischt. Nach jedem Film kommen Freunde auf mich zu und sagen: »Da steckt viel von dir drin.« Dann denke ich immer: Ich kann doch nicht all diese Menschen sein. Aber eigentlich finde ich es gut, wenn man mich in meinen Rollen erkennt. Es macht mich stolz, auch weil sich durch diesen persönlichen Bezug die Fiktion des Filmes weniger fiktiv anfühlt. 

 

Maggie ist auf ihre Weise ein ziemlicher Kontrollfreak. Gehört das auch zu Ihren Schwächen?

 

Nein. Ich weiß, dass man nicht alles kontrollieren kann. Ich achte darauf, dass ich die Dinge, die mir wichtig im Leben sind, unter Kontrolle habe, aber alles andere lasse ich einfach geschehen. Mir ist es vollkommen egal, wie weit mein Sitz im Flugzeug vom Notausgang entfernt ist. Ich habe noch nie ein Hotelzimmer gewechselt, weil es mir nicht gefallen hat. Und im Grunde ist es mir auch gleichgültig, was ich anziehe. Aber wenn ich ein Drehbuch geschrieben habe und die Arbeit am Set beginnt, achte ich sehr darauf, dass alles so rüberkommt, wie ich es mir erdacht habe. In diesen Momenten bin ich ein echter Kontrollfreak. 

 

In fast allen Ihren Filmen spielt New York die zweite Hauptrolle und Ihre Figuren scheinen mit der Stadt verwachsen zu sein. Warum ist New York für Sie ein solch fruchtbarer Boden?

 

New York ist eine sehr cinegene Stadt. Ich bin nicht dort aufgewachsen und habe die Stadt zunächst nur über das Kino kennengelernt. Ganz besonders durch die Filme von Woody Allen. Wenn ich in meinem Alltag durch New York gehe, sehe ich oft Filmszenen vor mir. Aber ehrlich gesagt, denke ich ohnehin dauernd an Filme. Das ist manchmal ein bisschen seltsam, wenn man bei jeder lustigen Konversation daran denkt, dass man das auch im nächsten Film verwenden könnte. Das fühlt sich an, als würde man nicht das wirkliche Leben leben.

 

Ihre Filme werden oft mit denen von Allen verglichen. Sie haben in »To Rome with Love« auch schon für ihn vor der Kamera gestanden. Haben Sie ihn heimlich ausspioniert?

 

Woody Allen ist mein großes Vorbild. Er hat einige meiner Lieblingsfilme gemacht. Ich habe zwar für ihn vor der Kamera gestanden, aber es war eine kleine Rolle und er hat vielleicht fünfzehn Sätze mit mir gesprochen. Wirklich kennengelernt habe ich ihn nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er sich an mich erinnern würde. Aber natürlich habe ich ihn ein wenig ausspioniert und sogar gehört, wie er sich selbst einen Witz erzählt hat. Das fand ich toll, dass Woody Allen nicht nur sein Publikum, sondern auch einfach nur sich selbst zum Lachen bringt.

 

Werden Sie in New York auf der Straße erkannt oder können Sie sich unerkannt in der Masse bewegen?

 

Ich mache nicht die Art von Filmen und habe nicht das äußere Erscheinungsbild, dass ich auf der Straße ständig wiedererkannt werde. Da bin ich auch sehr froh drum. Ruhm ist ein Gefängnis. Darauf kann ich gern verzichten. Mir ist es sehr wichtig, in der Masse verschwinden und Menschen beobachten zu können. Der Platz, an dem ich mich am wohlsten fühle, ist die Subway-Station 42. Straße. Dort treffen sechs verschiedene Linien zusammen und in der Rushhour kommen die Menschen aus allen Richtungen. Dort in der Mitte zu stehen, die Leute an mir vorbeirauschen zu lassen und mit der Masse zu verschmelzen — das fühlt sich unheimlich gut an. 

 

Mit den Menschen zu verschmelzen — ist das auch Ziel Ihrer filmischen Arbeit?

 

Ich mag Menschen, so -kompliziert sie auch sind. Wir sind ein seltsamer Haufen. Mich interessiert, was Menschen tun und warum sie es tun. Ich habe immer versucht, dem menschlichen Leben durch Kunst einen Sinn zu entlocken. Das ist eine ebenso absurde wie wundervolle Beschäftigung und ich bin dankbar dafür, dass ich damit mein Lebensunterhalt verdienen darf.

 

 

Greta Gerwig

 

Gerwig wurde 1983 in Sacramento, -Kalifornien geboren. Sie studierte -Englisch und Philosophie in New York. 2006 spielte sie ihre erste Filmrolle in Joe Swanbergs »LOL«, in der Folge war sie an mehreren Filmen der so genannten »Mumblecore«-Bewegung beteiligt. Größere Aufmerksamkeit erregte sie als Darstellerin in »Greenberg« und »Frances Ha«, beides Filme ihres Lebensgefährten Noah Baumbach, an denen sie auch am Drehbuch beteiligt war. Diesen Monat ist Gerwig auch in Todd Solondz’ »Wiener Dog« zu sehen.