Ultimative Performance

Die Kunstfilmbiennale Köln findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt, und zwar vom 19. bis zum 24. Oktober. Ausgangspunkt für diese Veranstaltung zwischen Film und Kunst war die Beobachtung, dass sich immer mehr bildende Künstler des bewegten Bildes annehmen. Und erfreulicherweise »hat sich dieser Trend nicht etwa totgelaufen, im Gegenteil: Die Künstler stellen immer höhere Ansprüche an sich selbst«, sagt Heinz Peter Schwerfel, Filmemacher, Journalist und künstlerischer Leiter der Biennale. Eine ganze Reihe der Festivalfilme sind im 35-mm-Format gedreht, außerdem zeugen sorgfältige Lichtsetzung und der Einsatz von Profi-Schauspielern vom auch hohen finanziellen Niveau der Produktionen.

Große Namen und unbeschriebene Blätter

Herzstück der Biennale ist der internationale Wettbewerb, bei dem rund sechzig Filme von bildenden Künstlern gezeigt werden. Zum einen wurde eine Auswahl aus etwa 400 eingereichten Filmen getroffen, zum anderen hat man Künstler gezielt eingeladen, »weil beispielsweise ein Matthew Barney nicht mehr auf Ausschreibungen reagiert«, erklärt Schwerfel.

Neben großen Namen der Filmgeschichte (Bruce Conner, Jean-Marie Straub/Danièle Huillet), finden sich die Shooting Stars des internationalen Ausstellungsgeschehens (Sam Taylor-Wood, Christian Jankowski, Sarah Morris, Dominique Gonzales-Foerster, Tracey Emin), jüngste Entdeckungen der diesjährigen Biennale von Venedig, der Berlinale und der New Yorker Kunstszene (Pilar Albarracín, Laurel Nakadate) sowie gänzlich unbeschriebene Blätter. Auf letztere darf man besonders gespannt sein, weil sie mitunter aus Ländern kommen, die bislang nur in Umrissen auf der Landkarte der bildenden Kunst verzeichnet sind, wie Singapur, Russland oder Ungarn.

Die Vermittlung aktueller und innovativer Tendenzen ist gewährleistet, alle Produktionen, die im internationalen Wettbewerb laufen, stammen aus diesem und dem letzten Jahr.

Ergreifende »Reportagen« und Dokumentationen des Ultimativen

Besonders zu empfehlen ist der großartige Artur Zmijewski, von dem man in nächster Zeit sicher noch mehr sehen und hören wird. Er porträtiert in seinen so genannten »TV-Reportagen« in ergreifender Weise Menschen mit seelischen und/oder körperlichen Nöten. In Köln wird sein neuester Film »Repetition« präsentiert, in dem das berühmte »Stanford Prison Experiment« von 1971, wobei Häftlinge die Rolle von Wärtern (und umgekehrt) übernahmen, noch einmal durchlitten wird.

Marijke van Warmerdams Film »Met losse handen« aus der Perspektive eines freihändig fahrenden Radfahrers ist eine reizvolle Hymne auf die niederländische Landschaft und die Naturwahrnehmung beim langsamen Radeln.

In ihrem Dokumentarfilm »Janine F.« geht Teresa Renn dem Fall einer 24-jährigen Künstlerin nach, die im Jahr 2002 aus dem fünften Stock des Berliner Kunsthauses Tacheles in den Tod sprang. Die junge deutsche Filmemacherin skizziert in Gesprächen mit Freunden, Kollegen, Ateliernachbarn ein Bild der radikalen Aktionskünstlerin und ihrer ultimativen Performance.

Hochspannend dürften auch die noch nie gezeigten Beiträge über Martin Kippenberger und Harald Szeemann sein - Künstlerfilme im doppelten Sinne.

Kritik an autoritären Sehgewohnheiten

Die Anzahl der mehr oder weniger narrativen Filme ist vergleichsweise groß. »Wir haben aus den Erfahrungen der letzten Kunstfilmbiennale gelernt, bei der wir das Publikum mit zu langen experimentellen Filmen teilweise überfordert haben.« Man darf nicht vergessen, dass alle Beiträge auf großer Leinwand in bestuhlten Kinosälen vorgeführt werden. Da scheint ein Entrinnen schwerer als aus den dunklen Kojen von Ausstellungsräumen.

Allerdings hätte Schwerfel nichts dagegen, wenn Zuschauer auch hier rein- und rausgingen, denn es werden mitunter vier Filme in einem Programmblock gezeigt. »Die Sehgewohnheiten sind viel zu autoritär geworden. Es ist eine Unart, selbst in Ausstellungen Filme nur zur vollen Stunde zu zeigen.«

Bei der Kunstfilmbiennale kann aus organisatorischen Gründen nur in der Kunst-Station Sankt Peter auf feste Anfangszeiten verzichtet werden. Die von Cathérine David – Leiterin der documenta X – kuratierte Auswahl arabischer und iranischer Künstlerfilme läuft dort als Endlosschleife. Carte Blanche bekommt in diesem Jahr Jürgen Klauke, der drei Kinofilme nach seinem Gusto aussuchen darf. Außerdem gibt es eine historische Reihe zu Fluxus im Rheinland und eine Werkschau zu Jochen Kuhn.

Für das Programm sollte man sich einen Stundenplan zusammenstellen. Denn es sieht schwer danach aus, als müsste man sich auch in der Woche vor der Art Cologne viel Zeit für Kunstgenuss freihalten.


Die Kunstfilmbiennale findet vom 19. bis 24. Oktober an folgenden Spielorten statt:

Kino im Museum Ludwig,
Kino in der Brücke/Kölnischer Kunstverein,
Kölner Filmhaus,
Kunst-Station St. Peter.