Getanzte Recherche

»Das ist deine Madeleine von Proust« sagen die Franzosen, wenn ein Geruch alte Erinnerungen beschwört. In Marcel Prousts Romanzyklus »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« war es ein Teetörtchen, eine goldgelbe Madeleine, aus deren Duft erst sich Erinnerung und am Ende große Literatur entfaltete. Das ist bald hundert Jahre her. Ob – und wenn ja, wie – unsre Sinne heute, in Zeiten umfassender Visualisierung und Virtualisierung, noch ähnlich intensiv funktionieren, ist eine Frage, der die Kölner Choreografin Ilona Pászthy mit ihrer Pentalogie »Sinnesverschiebungen« auf der Spur ist.

Fühlen, Sehen, Hören und Schmecken

Seit 2001 choreografiert Pászthy in Zusammenarbeit mit dem bildenden Künstler MiegL an ihrem getanzten Zyklus über die fünf Sinne und der ihnen attestierten zeitgenössischen Krise. Mit ihrer organischen, empfindsamen Tanzsprache hat sie bislang die Assoziationswelten von Fühlen, Sehen, Hören und Schmecken durchexperimentiert. Mal (als das Thema das Fühlen war) in weichem, hochsensiblen Kontakt mit rundlichen Bühnenobjekten; mal (als es ums Hören ging) im Innenraum der Deutzer Brücke. Oben rauschte Verkehr, unten der Rhein; das Publikum wurde auf eine Fußreise zwischen Klängen und Szenerien, Tänzen und Kunstobjekten geschickt.

Die Welt über die Nase suchen

Jetzt, in »...No. 5«, der letzten Produktion der Pentalogie, lässt sie ihre Tänzer und ihr Publikum die Welt über die Nase suchen. Wie riechen Blau oder Rot, wie fühlt sich Riechen an, wie sieht es aus? Sinneskopplungen haben auch in den vier vergangenen Choreografien eine wichtige Rolle gespielt. Für »...No. 5« wurden aus Geruchseindrücken Zeichnungen, aus den Zeichnungen Bewegungslinien. Übereinander gelagert und ineinander verschlungen entstehen aus diesen Linien zarte Bilder, getragen vom Sound der eingespielten Elektro-Impulse. »Fertig« werden diese Bilder, wenn überhaupt, erst im Weiter-Assoziieren des Zuschauers.