Lieber weiß statt rot: Sommeliére Iris Giessauf mit Getränk

»Ein alkoholisches ­Heißgetränk!«

Die Glühwein-Saison hat begonnen. Sommelière Iris Giessauf von »Essers Gasthaus« in Neuehrenfeld über weißen Glühwein, Tetrapacks und alkoholfreie Alternativen

Frau Giessauf, vergangenes Jahr haben Sie Glühwein angeboten — dieses Jahr nicht. Warum?

Glühwein ist total schön, wenn du ihn draußen trinkst. Aber im Winter haben wir nur drinnen geöffnet. Im Shutdown hatten wir hier dann aber auf der Terrasse »Glühwein to go«.

Ist es nicht paradox, dass gerade der Glühwein, dessen kulinarischer Ruf ja eher schlecht ist, die Gastronomie gerettet hat?

Man muss sich halt etwas einfallen lassen! Glühwein gehört ohnehin zum Winter und zur Weihnachtszeit, und Glühwein war eine der wenigen Dinge die vielleicht noch positiv waren. Ich glaube, deswegen wurde es so angenommen, weil man einfach mal ganz kurz nicht mehr über Corona nachdenken wollte.

Die Weinexpertin hat also nichts gegen Glühwein?

Überhaupt nicht! Ich mag weißen Glühwein, ich kann nur keinen roten trinken. Den finde ich gruselig, das ist nicht mein Geschmack. Ich bin mit weißem Glühwein aufgewachsen. Bei uns in der Steiermark haben wir nur den. Dann komme ich nach Deutschland und möchte Glühwein trinken — und es gibt nur roten!

Trinkt man in Österreich mehr weißen Glühwein?

Ja, es ist genau andersherum als hier. Der weiße ist halt einfach leckerer! Generell wird in Österreich auf den Weihnachtsmärkten auch weniger aus dem Tetra-Pack serviert. Und es braucht halt auch für so etwas Banales ein Rezept und nicht etwas Zusammen­geschüttetes. Grundzutaten, die Sinn ergeben! Klar, eine Süße, eine Frische, eine kleine Schärfe, mit Ingwer drin zum Beispiel, das gibt einen Kick. Zitronengras gibt auch einen ganz eigenen Geschmack beim weißen.

Die Auswahl an Glühwein-Varianten nimmt immer weiter zu, inklusive Rosé- und Quittenglühwein. Was sagt die Sommelière zu der Entwicklung?

Rosé-Glühwein ist superlecker! Haben wir letztes Jahr auch angeboten. Rosé hat per se eine leicht fruchtige Note, das passt zum Glühwein. Auch wenn man weißen Glühwein macht, macht man das nicht mit einem Chardonnay, der so dick und breit ist, sondern mit einem frischen, spritzigen Riesling, damit Säure drin ist und es nicht eindimensional ist. Auch ein Glühwein darf Facetten haben. Beim roten kleben oft die Tannine an den Zähnen — das finde ich schrecklich.

Welchen Wein nehmen Sie für roten Glühwein?

Wir sind da beim Spätburgunder und beim Zweigelt gelandet. Der Spätburgunder ist ein bisschen leichter, der Zweigelt ist auch farblich dunkler und geschmacklich kräftiger. Wir im Essers sind natürlich deutschland- und österreichgeprägt. Man kann aber auch ruhig, wenn man Richtung Italien geht, etwas Kräftiges nehmen, was ein wenig Säure hat. Etwa einen Chianti. Ich würde keinen 20-Euro-Wein nehmen, aber auch keine Flasche für zwei Euro. Man will sich ja etwas Gutes tun.

Womit würden Sie einen Rosé würzen?

Wir haben ihn ein bisschen sternanis- und zimtlastiger und ohne Zitronengras gemacht, aber trotzdem mit Ingwer. Außerdem haben wir in den weißen Glühwein Apfel-, und in den Rosé roten Johannisbeersaft getan.

Sehen Sie Glühwein eigentlich eher als Wein oder als Cocktail?

Weder noch. Wein ist es nicht mehr, weil du etwas dazutust und ihn erhitzt. Am Ende hat es mit Wein, wie wir ihn kennen, nichts mehr zu tun. Aber es ist auch kein Cocktail. Ein Cocktail ist für mich mit Eiswürfeln. Aber es ist ja auch nicht schlimm, wenn es etwas Eigenständiges ist. Ein eigenständiges alkoholisches Heißgetränk!

Sind Weine darauf ausgelegt, so sehr erhitzt zu werden?

Man soll ihn nicht aufkochen, sonst entstehen durch eine chemische Reaktion Giftstoffe. Man soll ihn nur bei 80 Grad simmern lassen. Sonst geht auch der Alkohol verloren — noch schlimmer! Aber nein, Weine sind nicht darauf ausgelegt. Auf gar keinen Fall!

Wenn Sie ein Menü zum Glühwein zusammenstellen müssten, was würden Sie servieren?

Warme Hauptgerichte sind schwierig, ich würde eher Snacks servieren. Gebratene Maronen natürlich, relativ klassisch. Gebrannte Mandeln, gerade durch den Crunch. Zwiebelkuchen kann ich mir gut zu weißem Glühwein vorstellen. Oder auch einen Flammkuchen, mit ein bisschen Schmand, Speck. Oder Raclette mit geschmolzenem, würzigem Käse.

Für alle, die keinen Glühwein mögen: Welche Heißgetränke können Sie für die Weihnachtszeit empfehlen?

In Österreich trinken wir Jagertee, Tee mit Rum. Lumumba, also Kakao mit Schuss, kennen wir weniger. Wer keinen Alkohol trinkt, dem empfehle ich Almdudler, aber heiß! Mit einer Zimtstange drin, gut erhitzt mit einem Aufschäumer. Das fand ich richtig lecker. Und das geht auch in eine würzig-aromatische Richtung — wie beim Glühwein.