Auch bei der Vorbereitung des Festessens locker bleiben — Orhan und Orkide Tançgil

»Kulinarik steht für Austausch«

Orkide und Orhan Tançgil haben gerade ein Buch zur türkischen Festtagsküche ­veröffentlicht und sprechen über Essen im Ramadan, halal und deutschen Döner

Frau Tançgil , Herr Tançgil, warum ein Kochbuch zu türkischen Festtagen?

Orkide Tançgil: Für Weihnachten und Ostern gibt es zig Bücher, zu den türkischen Festen nicht. Wir sind gläubig, leben unsere religiösen Feste, aber wir beten nicht fünfmal am Tag. Viele Türken der zweiten, dritten Generation in Deutschland kennen aber gar keine Hintergründe und Gerichte zu den Festen. Wir wollen da locker heranzuführen. Aber vor allem ist »Bayram« ein Kochbuch für alle.

Immer mehr Menschen sind über Kulinarik informiert. Aber wird auch mehr gekocht?

Orhan Tançgil: Wir empfinden die deutsche Gesellschaft als sehr neugierig, was andere Kulturen und deren Speisen angeht. Alle Statistiken sagen aber auch, Convenience nehme zu. Viele kaufen Trends: Superfood, vegane Schnitzel, Protein-Shakes. Aber nur wenige machen eine Sauce selbst. Es fehlen auch handwerkliche Kenntnisse, Hauswirtschaft wird nicht mehr gelehrt. Das hab ich mir vor vielen Jahren selbst beigebracht. Meine Mutter hat mir Kartoffelpüree aus der Tüte gemacht, das war in den 70ern ja üblich.

Seit 2006 betreiben Sie den Blog »Koch Dich türkisch«, dann kamen Verlag und Online-Shop dazu. Was hat sich in den Jahren verändert?

Orkide Tançgil: Das Interesse an türkischer Küche hat zugenommen. Aber Tischkultur wird weniger gepflegt, man isst oft nebenbei. Für viele ist Essen eher Notwendigkeit als soziales Element.

Orhan Tançgil: Ich kenne Haushalten mit tollen Küchen, aber es gibt Pommes und Chicken Nuggets aus dem Ofen. Da wird nicht zusammen gekocht und gegessen.

Was unterscheidet die deutsche und türkische Festtagsküche grundsätzlich? Es gibt überall immer nur das Beste, oder?

Orkide Tançgil: Wir haben ja bewegliche Festtage, die durchs Jahr wandern. Insofern gibt es andere Gerichte, wenn Ramadan in den Herbst oder wie jetzt in den Frühling fällt. Aber türkische Küche ist ohnehin sehr saisonal.

Aber es gibt auch Standards?

Orkide Tançgil: Ja, klar. Ein Güllac, mit Nüssen und Früchten geschichtet, das wird im Ramadan immer nach Sonnenuntergang gegessen, denn es ist leicht und belastet den Körper nach dem Fasten tagsüber nicht. Jeden Abend Baklava, das wäre too much.

Für Ihre Rezepte benötigt man keine ungewöhnlichen Zutaten.

Orkide Tançgil: Aber so ist türkische Küche! Gut, im Buch kommen kein schwarzer Knoblauch oder Blätter vom Zitronenbaum vor, wie in anderen Trendbüchern. Das ist in Deutschland zu schwierig zu bekommen.

Orhan Tançgil: Und statt Berberitzen kann man auch getrocknete Beeren nehmen, Rosinen etwa oder meinetwegen Cranberries.  

Sie haben viele vegetarische und vegane Festtagsgerichte im Buch.

Orkide Tançgil: Auch das ist traditionell so. An Festtagen wird dann auch mal mehr Fleisch zubereitet, denn es ist ein »teures« Gut.  

Orhan Tançgil: Wir finden es auch gut, nicht ständig Fleisch zu essen. Aber wenn Früchte um die halbe Welt transportiert werden, nur um auf Fleisch zu verzichten, verstehe ich es nicht mehr. Türkische Küche bietet genug »ungetürkte« Speisen.

Aber es gibt doch an Festtagen Fleisch!

Orhan Tançgil: Klar, wenn zum Opferfest ein Tier geschlachtet wird, gibt es viele Fleischgerichte — weil alles vom Tier verwendet wird! Nose to tail wie es heute heißt.

Halal spielt kaum eine Rolle in ihrem Buch. Hat halal keine Bedeutung?

Orhan Tançgil: Doch, immer mehr Menschen in Deutschland legen Wert darauf! Es ist ein riesiger Markt. Aber es ist wie bei vegan — allein das Siegel reicht nicht. ­Separatorenfleisch mag als halal gekennzeichnet sein, aber es ist einfach kein gutes Lebensmittel.

Was würden Sie gern mit ihren Kochbüchern erreichen?

Orhan Tançgil: Brücken schlagen ist für uns das wichtigste. Kulinarik steht für Austausch, Begegnung. Etwa der deutsche Döner! Der hat nichts mehr mit dem ­Original zu tun, jetzt ist Sauce und Salat dabei und oft gar kein Fleisch mehr. Das ist ein eigener Trend und okay. So geht das in alle Richtungen.

Orkide Tançgil: Alles ist Fusion! (lacht) Aber zwei, drei türkische ­Elemente beim Essen in den deutschen Haushalten wären schön.

Orkide und Orhan Tançgil: »Bayram — 65 Rezepte für das Ramadan-Fest und alle islamischen Feiertage«, Christian Verlag, 192 Seiten, 29,99 Euro; Infos: kochdichturkisch.de