Böses Erwachen — auch auf der Rechnung: Der Aperitif vorab, Foto: Susanne Troll

Der Schnaps geht nicht aufs Haus

Sternerestaurants sind kein Ort für steife Tischdecken oder steife Manieren. Beim Besuch sollte der Genuss im Mittelpunkt stehen — auch wenn am Ende die Rechnung kommt

»Darf’s zum Start ein Glas Champagner sein?« Mit dieser Frage ­beginnt oft der Besuch im Spitzenrestaurant. Manchmal gar bevor man als Gäst:in einen Blick auf die Getränkekarte und damit Preise werfen konnte. Schneller als man sich’s versieht, steht ein Glas Rosé-Champagner vor einem. Kein Massenchampagner, sondern sorgsam ausgewählt. Ein perfekter Start in ein besonderes kulinarisches Erlebnis? Bestimmt! Vor allem wenn Geld keine Rolle spielt. Ansonsten kommt für manch ­einen das böse Erwachen mit der Rechnung: 25 Euro und aufwärts kostet das 0,1er-Glas zum Einstieg in der ­Regel.

Ist ein Besuch im Sternerestaurant nur was für feine Pinkel? Mitnichten. Hervorragende Lebensmittel, beeindruckendes Koch-Handwerk und spannende Aromenwelten schaffen kulinarische Erlebnisse. Das Richtige für alle, die sich für Essen begeistern. Im Bestfall klingt der Besuch so lange nach wie ein gelungener Wochenendtrip. Und kann auch so viel kosten. Muss er aber nicht. Jahrelang gab es das günstigste Sternegericht der Welt an einem Imbissstand in Singapur für umgerechnet 1,30 Euro. Bis heute gibt es besternte Straßenküchen. Bei der Bewertung des Guide Michelin geht es um die Küchenleistung, nicht darum, wie gut das Silber­besteck geputzt ist.

Sternegastronom:innen verdienen über Getränke Geld. Denn der Gewinn beim Essen ist meist überschaubar

Zum Imbissbudenpreis findet sich in Köln zwar keine Sternküche. Aber auch hier gibt es sie erschwinglich. Ab 39 Euro bietet »La Cuisine Rademacher« ein Mittagsmenü in Dellbrück an. 69 Euro kostet das reguläre Vier-Gang-­Menü im »maiBeck« in der Altstadt.

Blick auf die Rheinpromenade und Philharmonie inklusive. Wer im einzigen Zwei-Sterne-­Laden Kölns ­essen möchte, muss das Genussschwein länger füttern. Das günstigste Menü im »Ox & Klee« hat acht Gänge, ist vegetarisch und kostet 185 Euro. Die ­anderen Sternerestaurants der Stadt liegen preislich dazwischen.

Viele Restaurants stellen neben den Menüpreisen auch ihre Getränkekarte online — so kann man vorher schauen, was zum ­eigenen Budget passt und was nicht. Alternativ zum Champagner gibt es meist günstigeren Crémant oder Winzersekt. Trotzdem gilt: Die Sternegastronom:innen verdienen über Getränke Geld. Denn der Gewinn beim Essen ist meist überschaubar. Lebensmittel hoher Qualität haben ihren Preis, genauso die Vielzahl an Mitarbeitenden, die hierzulande meistens in besternten Restaurants arbeiten. Im Restaurant hilft Offenheit. Denn Mitarbeitende können höchstens erahnen, ob der Wein am Tisch eher 35 oder 350 Euro kosten soll. Der geschulte Service hilft, eine Begleitung fürs Essen zu finden.

Wer mehr als ein Getränk probieren möchte, kann sich für eine begleitende Weinreise entscheiden — manchmal gibt es auch eine alkoholfreie Alternative. Gerade bei der Variante mit Wein sollte man sich seiner Kapazitäten bewusst sein. Es kann eine Herausforderung sein, zu jedem Gang ­einen neuen Wein vorgesetzt zu bekommen. Mit einer gelösteren Stimmung fällt man in den meisten Spitzenrestaurants nicht negativ auf, Pöbeleien sind genauso un­erwünscht wie in der Eckkneipe.

Ansonsten muss niemand vorm Besuch in der Spitzengastronomie zur Knigge-Schulung gehen. Die Zeiten steifer Tischdecken und Manieren sind vorbei. Wer respektvoll mit Service und anderen Gäst:innen umgeht und Messer und Gabel halten kann, macht schon vieles richtig. Apropos Besteck: Die alte Titanic-Regel »von außen nach innen« gilt immer noch. Oftmals wird das Besteck aber für jeden Gang neu eingedeckt. Sollte es trotzdem Unsicherheiten geben, gilt: fragen. Der Service gibt Tipps und freut sich über Gäst:innen, die genießen. Selbst wenn der Ellenbogen mal auf dem Tisch landet.

Damit Unverträglichkeiten oder Ernährungsgewohnheiten beim Essen nicht zum Problem werden, sollten diese frühzeitig kommuniziert werden, also nicht erst am Tag des Besuchs. Die ­Restaurants können dann sagen, was sie umsetzen können und was nicht — und können es in die komplexen Küchenabläufe einplanen.

Fehlt noch was? Natürlich. Der Abend beginnt mit einem ­Angebot fürs Aperitif und endet mit einem fürs Digestif. Meist im Form eines verlockenden Wagens, der an den Tisch geschoben wird. ­Anders als in vielen Stammrestaurants gilt: Der Schnaps am Ende geht nicht aufs Haus!