Echt jetzt?

Immer häufiger werden Gerichte als »hausgemacht« angepriesen. Das ist grotesk

Knödel im Brauhaus, Dips im türkischen Imbiss, Tiramisu im italienischen Restaurant und Eistee zur vietnamesischen Küche. In den ­Speisekarten vieler und sehr unterschiedlicher gastronomischer Betriebe, auch in Köln, findet sich immer häufiger ein Begriff: hausgemacht. Er soll die offerierten Gerichte nicht bloß beschreiben, sondern auch positiv besetzen. Denn er suggeriert, dass dort, wo er verwendet wird, die Küche ein Ort des Handwerks ist — und nicht bloß Convenience-Produkte aus Großpackungen aufgetaut oder vermengt ­werden.

Dass der Begriff inflationär verwendet wird und überhaupt zum Werben taugt, offenbart viel über das Verständnis von moderner Gastronomie. Es gilt nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als Besonderheit, wenn in Küchen Lebensmittel zubereitet und verfeinert werden: Hergehört, wir kochen selbst! Echt jetzt! — Gastronomen wollen mit dem Label »hausgemacht« punkten, und treffen auf Kundschaft, bei der ihnen das gelingt. Denn selbst manchem Gast scheint die Erwartung abhanden gekommen zu sein, dass Gewürz­mischung, Fertigsoße oder Aufbackteig in Restaurantküchen nichts verloren haben. Oder es ist den Gästen mindestens mal egal. Vielen fehlt wohl auch das Verständnis, was Gerichte kosten müssten, wenn sie aus Grundprodukten von ausgebildetem Personal zubereitet würden. Von der Verwendung fair gehandelter Bio-Ware aus der Region ganz zu schweigen.

Hinzu kommt ein formales Problem: Was »hausgemacht« überhaupt bedeutet, ist weder definiert noch lebensmittelrechtlich gesichert. Dass der Begriff Gäste nicht in die Irre führt, ­regelt bestenfalls das allgemeine Täuschungsverbot. Was das konkret für Fertigungsschritte von Nudelteig oder Crème brûlée bedeutet, ist unklar. Wenn, wie in Spitzenküchen, erst gar keine hausgemachten Gerichte beworben werden, muss das allerdings kein schlechtes Zeichen sein. Vielmehr sollte einen Gast hellhörig machen, wenn nur ausgewählte Speisen als »hausgemacht« annonciert werden. Denn hier bleibt die Frage: Was ist denn eigentlich mit dem Rest?