Zu jeder Tageszeit das passende Getränk: »Ayni × Schuss« im Belgischen Viertel. Foto: Susanne Troll / Stadtrevue

Morgens Cappuccino, abends Korn

Wenn der »Goldene Schuss« tagsüber geschlossen hatte, bespielte im Sommer ein Kaffeeröster das Lokal. Sind Doppel-Nutzungen die Zukunft der Gastronomie?

Der letzte Schnaps ist erst vor wenigen Stunden über die Theke gegangen. Und doch zeugt nur wenig von einer durchzechten Nacht, wenn man am Morgen das »Zum Goldenen Schuss« im Belgischen Viertel betritt. Die Kaffeemaschine summt, in einer Vitrine liegt frische Backware aus. Nur die Luft könnte frischer sein.

Seit Ende Juli bespielt die Kaffeerösterei Ayni aus Bornheim die beliebte Kneipe in den Stunden des Tages, in denen das Ecklokal zuvor über Jahre leer war. Der Café-Betrieb läuft am Morgen und am Nachmittag, am frühen Abend startet dann der Barbetrieb, der meist erst spät in der Nacht endet. Das gemeinsame Konzept haben sie »Ayni × Schuss« genannt.

Der Impuls für die Doppel­nutzung kam von Ayni. Die Rös­terei, die etliche Kölner Gastro­nomen mit Röstkaffee beliefert und in Mülheim bereits ein Café betreibt, war auf der Suche nach einem Laden­lokal im Belgischen Viertel. »Das ist nicht so einfach. Es gibt nicht viel auf dem Markt, und wenn, ist es kaum bezahlbar«, erzählt Geschäftsführer Nicolas Seidel. Mit den Betreibern vom Goldenen Schuss war Seidel schon länger bekannt, weil geschäftlich verbunden. Seidel ­fragte sie, ob sie sich vorstellen könnten, ihnen ihr Lokal für ei­nige Geschäfts­stunden am Tag zu überlassen. »Wir hatten schon länger im Kopf, dass es däm­lich wäre, eine schöne Laden­­fläche haben, die tagsüber brachliegt«, sagt Friedrich Lindenstruth vom Goldenen Schuss.

Vorteile kann eine Doppel­nut­zung wie die in den Räumen des Goldenen Schuss viele bieten. Man kann sich Miete und Nebenkosten teilen und unternehmerisches ­Risiko streuen, das gerade beim Start und für inhaber­geführte ­Läden groß ist. Zudem ­können Kooperationen Standorte aufwerten und für neue Kundschaft ­interessant machen. »Das erzeugt Synergien für beiden Seiten«, sagt Nicolas Seidel von Ayni. Und auch mancher Gast im Café habe eine Erleuchtung gehabt: »Der eine oder andere hat zu uns gesagt: Ach, so sieht das hier also im ­Hellen aus.«

Es wäre dämlich, eine schöne Laden­fläche zu haben, die tagsüber brachliegtFriedrich Lindenstruth, »Zum Goldenen Schuss«

Doch beide Seiten betonen auch die Herausforderungen. »Es sieht auf den ersten Blick banal aus: Der Laden steht tagsüber leer, dann macht man da halt ein Café rein, und fertig«, sagt Lindenstruth. Aber es brauche viele Absprachen und auch Vertrauen. Er vergleicht es mit einer Wohn­gemein­schaft. »Das kann Spaß machen, aber auch schmerzhaft sein. Deshalb zieht ­ja auch regelmäßig jemand aus.«

»Wir mussten Abläufe finden, bei denen man sich nicht im Wege steht«, sagt Geschäftspartner Seidel. Das gelte gerade für die Übergaben. Vor allem die Morgenstunden seien ein Nadelöhr. »Die Kneipe hat nicht selten bis vier Uhr auf. Wenn Nico um neun Uhr da steht, riecht es nach abgestandenem Bier, und man muss die Toilettensituationen in den Griff kriegen«, so Lindenstruth. Am Wochenende kommt ein Putzdienst. Unter der Woche geht der erste Griff der Café-Betreiber nicht zum Sieb­träger, sondern zum Schrubber. »Der Goldene Schuss ist eben eine Kneipe. Aus der kann man nicht einfach ein helles Café machen, auch was das Interieur angeht«, sagt Kneipier Lindenstruth. Das ist auch ein Grund, warum Anyi das Café-Angebot in den Wintermonaten pausieren und erst im Frühjahr, wenn auch die Außenplätze nutzbar sind, wieder starten wird. Seidel betont außerdem die Herausforde­rung, als Untermieter sichtbar zu werden: Die Leute müssten verstehen, dass es sich nicht bloß um eine Erweiterung des bestehenden Angebots handelt.

Die Geschäftspartner sehen in der gemeinsamen Nutzung ein Modell, das sich künftig öfter in Köln finden könnte. »Was wir machen, ließe sich auch in anderen Ladenlokalen umsetzen«, sagt Lindenstruth, der mit dem Bumann & Sohn in Ehrenfeld eine weitere Bar betreibt. Während es vergleichbare Konzepte bisher meist zwischen Cafés und Co-Working-Spaces gab, in Köln etwa im »Betaphase« am Eigelstein, sind sie unter zwei gastronomischen Betrieben bisher kaum zu finden. Das könnte sich laut Lindenstruth ändern: »Ich kann mir gut vorstellen, dass sich in der Zukunft öfter Leute Flächen teilen — oder auch teilen müssen.«