Drauf und dran

Getränkeflaschen aus Kunststoff haben bald alle einen Deckel, der nicht abnehmbar ist. Das soll Plastikmüll vermeiden — was sagt das über uns?

Plastik ist buchstäblich in aller Munde. Längst sind die Meere mit Kunststoffen aller Art und in allen Größenordnungen ­verseucht, bis hin zu mikroskopisch kleinen Partikeln. Plastik gelangt in die Nahrungskette, tötet Tiere, zerstört die Umwelt. Das weiß man ja.

Plastik ist zum Sinnbild für unverantwortliches Wirtschaf­ten geworden, entsprechend hat seine Vermeidung bisweilen etwas Demonstratives. Aber nur weil wir im Supermarkt Plastik­packungen meiden, bedeutet das nicht, dass wir unabhängig von Plastik wären — Plastik ist praktisch und deshalb überall.

Nun sorgt eine EU-Verordnung für Diskussionen. Ab Mitte 2024 sind an Kunststoff-Getränkeflaschen tethered caps, ange­bundene Deckelchen, verpflichtend. Sie sind drauf und bleiben dran. Das soll sicherstellen, dass sie mit der Flasche ins Recycling gelangen. Ob die Verordnung nötig ist, wird derzeit diskutiert. Ein Einwand lautet, dass dafür mehr Plastik notwendig werde: um den Deckel mit der Flasche zu verbinden. Andere sehen eine Chance, die Flaschen ganz neu zu konzipieren; einige Konzerne haben ­bereits umgestellt, auch ganz weg von Plastik.

Nur weil wir im Supermarkt Plastik­packungen meiden, bedeutet das nicht, dass wir unab­hängig von Plastik wären

In Deutschland gelangen nahezu 95 Prozent aller Plastikflaschen ins Recycling. Von diesen gehen wiederum mehr als 90 Prozent mit dem Deckelchen zurück — EU-weit die besten Quoten. Nun soll es auch im Rest Europas so werden. Doch dazu müsste nicht nur das Bewusstsein für Umweltschutz gestärkt, sondern auch das jeweilige Recyclingsystem ausgebaut werden. Noch immer werden europaweit mehr als 40 Prozent der Kunststoffe zur Energiegewinnung verbrannt.

Interessant ist noch etwas anderes: wie es dazu gekommen ist, dass so viele Getränke in Plastikflaschen im Umlauf sind. Es hat Vorteile beim Transport, aber es hat auch damit zu tun, wie wir essen und trinken: unterwegs, nebenbei, auf die Schnel­le — insofern sind tethered caps auch ein tischkulturelles, kulina­risches Thema. Denn für diesen Lebensstil ist Plastik wegen seines geringeren Gewichts gegenüber Glas natürlich attraktiver. Dass Menschen jetzt stöhnen, weil ihnen bald Deckelchen beim Trinken von Softdrinks im Gesicht baumeln, zeigt noch etwas anderes: Wie sehr wir unsere Gewohn­heiten trotz ­besseren Wissens beibehalten statt uns umzu­stellen. Es ist wohl leider ein Trugschluss, dass die Dinge sich zum Besseren wenden können, ohne dass wir uns ändern.