Sozialpolitik

Wir haben uns angeschaut, wie es um einige wichtige Politik­felder bestellt ist. Worüber wird gestritten, was ist erreicht? Welche Herausforderungen stehen jetzt an?

Köln galt in der Flüchtlingspolitik mal als vorbildlich. Nach Jahren skandalöser Unterbringung, etwa auf dem kontaminierten CFK-Gelände in Kalk, kam es 2004 mit den Grünen zu einer Wende. Initiativen erstritten einen Runden Tisch und die »Kölner Leitlinien«, die eine dezentrale Unterbringung für höchstens 80 Menschen und einen möglichst schnellen Wechsel in eine eigene Wohnungen festschrieben. Spätestens seit 2015 herrschten jedoch andere Zustände: Massenunterkünfte in Turnhallen, Baumärkten, Containern. Auch Henriette Reker als damalige Sozialdezernentin spielte nicht nur eine rühmliche Rolle. Eine unabhängige Beschwerdestelle für Flüchtlinge wurde erst Mitte 2016 als Reaktion auf Missbrauchsvorwürfe eingerichtet.

Mittlerweile gibt es Standorte für besonders Schutzbedürftige, und Sammelunterkünfte sollen vermieden werden. Doch immer noch fehlt ein Belegungsmanagement. Während sich in der Zivilgesellschaft 2015 eine Willkommenskultur entwickelte, macht sich in der Politik eine politische Leerstelle in der Flüchtlingspolitik bemerkbar. Im Stadtrat gehen heute die meisten Initiativen auf den OB-Kandidaten der Linken, Jörg Detjen, zurück.

Auch in der Drogenpolitik offenbaren sich Missstände. 2017 hatte Sozialdezernent Harald Rau endlich ein Drogenhilfekonzept beschlossen. Doch den für 2018 am Neumarkt geplante Drogenkonsumraum — Grundlage für ein komplexes Hilfesystem — gibt es immer noch nicht. Ende 2019 wurden übergangsweise zwei »Drogenkonsum-Mobile« bereitgestellt. Die würden auch dringend in Kalk, Mülheim, Chorweiler und am Kölnberg gebraucht.  

In der Obdachlosenhilfe gab es Anfang des Jahres einen Durchbruch: Die Grünen und die Wählergruppe GUT wollten das in der Sozialforschung gelobte »Housing First« schon länger in Köln etablieren: Obdachlose Menschen bekommen zunächst bedingungslos eine Wohnung, erst dann folgt die »Stabilisierung«. US-Städte wie Salt Lake City verringerten die Obdachlosigkeit damit um fast 80 Prozent. Ende Mai hat die Stadt beschlossen, das Konzept drei Jahre lang zu erproben. Der Verein Vringstreff hat als erster Kölner Sozialträger bereits im Februar ein Apartment auf eigene Kosten gekauft und vermietet, unterstützt vom Düsseldorfer Verein Fifty Fifty und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Auch das ist sinnbildhaft: In Köln existiert ein dichtes Netz an Hilfsorganisationen, Sozialträgern, Initiativen und Verbänden, die die Maßnahmen der Politik flankieren — oder vorantreiben.